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„Reißt diese Seite raus!“

■ „Die schönsten Bücher“ des Jahres auf Tournee / Diese Woche noch in Bremen-Lesum

Die Stadtmusikanten? Haben wir, klar, da hinten im Bücherschrank. Wahrscheinlich die Bertelsmannausgabe, stimmt's? Baujahr '65? Aber wie steht es mit der diesjährigen Ausgabe, auf Kupferdruckbütten, mit handgeschabten Holzschnitten? Handgesetzt, mit Initialen aus der Lutherschen Fraktur? – Eben.

Das hübsche Bändchen, das die Grimmsche Geschichte zwar nicht neu, aber doch umso schöner erzählt, ist unter „Die schönsten deutschen Bücher 1992“ gefallen. Unter diesem Titel wählt die nationale „Stiftung Buchkunst“ alljährlich aus, was sich besonders gut im Bücherschrank macht. Zur Zeit ist die Schau der Schönsten in Bremen zu sehen, in der Stadtbücherei Lesum.

49 Bücher erhielten diesmal auf der Frankfurter Buchmesse das Prädikat „eines der schönsten Bücher des Jahres“ für ihre hervorragende Gestaltung in Satz, Layout, Einband, Druck und Bild. So ziehen sie nun als kompletter Satz durch die Büchereien der Republik. Zwischen den Regalen der handelsüblichen Buchware nehmen sich die preisgekrönten Exemplare zunächst mal ganz gewöhnlich aus. Die „schönsten Bücher“: Das sind „nicht in erster Linie die kostbaren Ausgaben für Bibliophile, sondern die Gebrauchsbücher“, sagt Dieter Beuermann, Vorsitzender des Stiftungsvorstandes. Im vergangenen Jahr seien die illustrierten Bücher unter den Preisträgern sogar zurückgegangen; „dafür wird das Sachbuch immer bunter und lebhafter“.

So hat es tatsächlich ein Biobuch fürs 9./10. Schuljahr in die Schönstenliste geschafft. Und auch ein Kindermalbuch, das eigentlich gar keins ist: Der „Kinderkatalog“ des Frankfurt Städelmuseums ist eher eine Art Überraschungskiste, in der Elemente aus Museumsführer, Mal- und Mitmachbuch und Zauberkasten auf wunderbare Weise kombiniert sind.

Dank des dicken Papiers und der Ringheftung ist das Ding auch so gut wie unverwüstlich. Bis auf die Seite aus dem Kapitel über Picasso und den Kubismus: „Reißt diese Seite raus und zerknüllt das Bild“, wird der Leser dort gebeten, um den schrägen Perspektiven des Malers möglichst etwas näher zu kommen.

Daß Bücher über Fragen der Gestaltung selbst gut gestaltet sind, ist nicht die Regel. Deshalb hat die Stiftung dieser Gattung unter der Rubrik „Sachbuch“ wieder mal viel Platz eingeräumt. Darunter auch ein genuin bremisches Erzeugnis: „Zimmermann meets Spieckermann“, ein Buch des HfK- Absolventen Ulysses Voelker über Desi gn – sachlich, zweckmäßig, elegant und ohne in die unendlichen Tiefen der elektronischen Spielekiste abzutauchen.

Natürlich gibt es auch Prachtbände, deren wunderbare Gestaltung dem Leser bzw. Betrachter sogleich ins Auge springen. Da haben es die Kunst- und Fotobücher allemal leicht; hier schwelgt alles in edlen Vorsatzpapieren und mundgeblasenen Druckstöcken. Der Münchner Prestel-Verlag ist ja inzwischen berühmt für diese Sorte Buch, und so bringt er uns nun einen aufgepeppten „Don Quixote“ mit feierlichen, ganzseitigen Illustrationen in fünffarbigem Kunstdruck samt Malgoldauflage. Und das Ganze natürlich in limitierter Auflage.

Da freut es den Autor, wenn er am Schluß unter der Rubrik „Bücher, die nicht im Handel sind“, ein Bändchen von liebreizend schlichter Eleganz namens „Quodlibet“ findet, in dem Autor Manfred Sack unter anderem schreibt: „Nun wollen wir über den Bücherbauern nicht ganz die Hauptfigur vergessen. Denn was wäre das Buch schon ohne seinen Verfasser? Auch der prachtvollste ,Satz' ist wenig wert, wenn die Sätze, die er wiedergibt, hohl sind.“ Thomas Wolff

Noch bis zum 20.Dezember sind die schönen Bücher in der Stadtbücherei Lesum, Hindenburgstraße 31 zu bewundern

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