Regionalwahlen im Baskenland: Baskische Brandmauer gegen ETA
Am Sonntag könnte ein Parteienbündnis die Wahlen gewinnen, von dem Teile aus dem Umfeld der Separatistenorganisation ETA stammen.
Neben linken Formationen, die seit jeher politische Gewalt ablehnen, gehört dem Parteienbündnis EH Bildu federführend auch das politische Umfeld der aufgelösten ETA an. Sollten sich die Umfragen bestätigen, würden die Linksnationalisten die konservative Baskische Nationalistische Partei (PNV), die von einer kurzen Unterbrechung abgesehen seit 44 Jahren die Region regiert, auf Platz 2 verweisen.
Die Wahlen am Sonntag sind die Wahlen der neuen Gesichter. Die beiden großen Parteien, EH Bildu und PNV treten mit jungen, relativ unbekannten Kandidaten an. Die PNV schickt überraschend nicht den Lehendakari – den baskischen Regierungschef – Iñigo Urkullu (62) ins Rennen, sondern den jüngeren Technokraten Imanol Pradales (48). „Indar Berria, Euskadi Berria“ (Neue Kraft, neues Baskenland) lautet das Motto. Pradales soll den stetigen Abwärtstrend der PNV an den Urnen nach 12 Jahren unter Urkullu beenden.
Es sind vor allem soziale Probleme, die dazu führten: die Sparpolitik in den öffentlichen Dienstleistungen, das teilweise privatisierte Gesundheitssystem, die Inflation und steigende Wohnkosten. Dies ergeben Umfragen des DeustoBarometro der Baskischen Privatuniversität Deusto.
Das Wort „Terrroristen“ kam ihm nicht über die Lippen
An diesen Punkten setzt EH Bildu mit ihrer Kampagne unter dem Schlagwort „Aldaketa“ (Wechsel) an. Ihr Kandidat, Pello Otxandiano (41), verspricht bessere öffentliche Dienstleistungen und weniger Privatisierungen. Er redet von Umweltschutz und einer Wirtschaft für das 21. Jahrhundert. Dass Otxandiano ins Rennen geschickt wird statt – wie von allen erwartet – Parteichef Arnaldo Otegi, ist eine Überraschung. Denn anders als Otegi, der die Auflösung der ETA ausgehandelt hat, hat Otxandiano keine Vergangenheit im bewaffneten Kampf für Unabhängigkeit.
Dennoch verfolgt ihn die Presse genau mit diesem Thema. Ob er ETA als „terroristische Bande“ verurteilen würde, wurde Otxandiano in einem Radiointerview gefragt. Er wich aus. ETA sei „eine bewaffnete Organisation“, deren Gewaltausübung sei „Ausdruck eines zurückliegenden politischen Zyklus“. „Zum Glück“ gebe es ETA nicht mehr, das Baskenland könne so nach vorn schauen, antwortete er. Nur das Wort „Terroristen“ wollte ihm partout nicht über die Lippen kommen.
Das war Anfang der Woche. Seither versuchen die anderen Kandidaten, dies gegen Otxandiano zu nutzen. Ob das gelingt, ist fraglich: Im DeustoBarametro geben nur 0,5 Prozent den Terrorismus als Problem an.
Überraschenderweise spielt im Wahlkampf – anders als in Katalonien, wo Mitte Mai gewählt wird – das Thema Unabhängigkeit kaum eine Rolle. Die PNV spricht von einem weiteren Ausbau der Autonomie und EH Bildu wirbt für eine bilaterale Beziehung mit Madrid und damit für mehr Souveränität, um über wichtige soziale und politische Maßnahmen ohne Einmischung aus Madrid entscheiden zu können.
Sozialisten schließen ein Bündnis mit EH Bildu aus
Dass EH Bildu allerdings im Fall eines Wahlsiegs die Regierung stellen wird, scheint unwahrscheinlich. Pradales dürfte Präsident der Region bleiben. Denn für eine Mehrheit im Baskenparlament ist ein Bündnis mindestens mit den Sozialisten (PSE) notwendig. Und die schließen ein Zusammengehen mit EH Bildu im Baskenland aus.
Nach den letzten Kommunalwahlen, bei denen EH Bildu stärkste Kraft wurde, sprang außerdem die im Baskenland schwache konservative Partido Popular (PP) ein, um PNV und PSE in mehreren Gemeinden und in einer der drei Provinzregierung zu einer Mehrheit zu verhelfen, damit EH Bildu nicht regiert.
Dieses Szenario könnte sich jetzt im Baskenparlament wiederholen. Welche Auswirkungen dies auf die Minderheitsregierung des Sozialisten Pedro Sánchez in Madrid hat, wird sich zeigen. Der ist nur dank der Stimmen von PNV und von EH Bildu im Amt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“