: Reggae im gemischten Doppel
■ „Everton Blender & Frankie Paul“ spielten unterschiedlichen Reggae: Rastafaris jubelten der Babylonfraktion zu
Die Rastafari von Bremen waren gekommen, und das ist bei einem Reggae-Konzert ja schon ein gutes Zeichen. Hier gab es also keinen Designer-Reggae für ein weißes Clubpublikum, und entsprechend war auch die Stimmung im Modernen. Zwei völlig unterschiedliche Sänger traten mit der gleichen Band auf: Der eine sang Liebeslieder voller Soul, der andere politisch bewußte und religiöse Songs in der Rastafari-Tradition.
Die Musik des fast blinden Frankie Paul, dem so genannten Stevie Wonder des Reggae, ist sehr vom Soul aus den USA beeinflusst. Er ist ein „love-songer“, böse gesagt ein Schnulzensänger, und das bestimmte die Stimmung der ersten Hälfte des Konzerts. Sehr gefällig, mit einer weichen, dunklen, wohl auch verführerischen Stimme sang er romantische Lieder und spickte sie immer wieder mit Zitaten aus US-Evergreens wie „Just the way you are“. Dabei streckte er leider die Songs so lang, dass die Musik manchmal leicht monoton wirkte. Dafür machte er die gängigen Mitmach und Gute-Laune-Spielchen mit dem Publikum. Alle „Germans in the house“ sollten laut mitsingen, und taten dies auch brav. Die Band spielte kompetent, nur die beiden Keyboarder hauten manchmal schlimm daneben, aber das ging in der guten Laune unter.
Frankie Paul war in einem blauen Anzug aufgetreten, und als das Konzert nach seinem freundlich, aber nicht übermässig beklatschten Abtritt ohne Pause weiterging, merkte man schon optisch, dass es in einem anderen Stil weiterging. Everton Blender stolzierte in afrikanischem Gewand mit einem seltsamen langen Holzstück in der Hand, (das am ehesten noch an die Hirtenstäbe des christlichen Rituals erinnert) über die Bühne. Hier tanzten die Jamaikaner nicht nur ausgelassener, sie hörten auch genau auf die Texte. Bestimmte Passagen wurden vom Publikum durch Trillerpfeifen und sogar ein (an der sehr gründlichen Taschenkontrolle vorbeigeschmuggelten) Signalhorn bekräftigt.
Man merkte, dass bei den Songs nicht (wie bei Paul) der Ton, sondern der Sinn wichtiger war. Während Paul ein Stück von Bob Marley coverte, sang Everton Blender ein eigenes Lied über ihn. In seinen Songs wurden die wichtigen Schlüsselwörter der Rastafari-Bewegung fast schon beschwörend wiederholt: „The Rastaman is telling the truth.“ Es gab darunter einige schöne Variationen. So reimte Blender in einer a-cappella-Einlage „I went to school, I was such a fool, but I had to follow babylon rule“. Seine Musik klang purer und intensiver als die seines Vorgängers. Und auch die Band spielte bei ihm viel inspirierter, die Rhythmen waren fetter und schwärzer. Ein Abend also, der die verschiedenen Richtungen deutlich machte, in die der Reggae heute geht: Der Eine sang aus Babylon und der Andere darüber. Wilfried Hippen
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