Press-Schlag: Regenbogennation im Höhenflug
■ Nach dem Gewinn des Afrika-Cups feiert Südafrika Versöhnung
Johannesburg (taz) – Ein einziger Schlachtruf hallte am Samstag abend durch Johannesburg: „Bafana Bafana“. Die Millionenmetropole verwandelte sich gegen 19 Uhr Ortszeit in eine begeisterte Straßenparty, und vielerorts gab es auf den Straßen kein Durchkommen mehr, weil Tausende von enthusiastischen Fans Kreuzungen blockierten und tanzten. „Bafana Bafana“ hatten es geschafft, der Regenbogennation zu einem erneuten Höhenflug zu verhelfen: Im Endspiel der Afrika-Fußballmeisterschaft, dem wichtigsten Sportereignis auf dem Kontinent, schickten „die Jungs“ den Außenseiter Tunesien mit 2:0 nach Hause.
Der Sieg war verdient, aber nicht leicht. Vor allem in der ersten halben Stunde hatten die Südafrikaner erhebliche Mühe, die bis dahin fast perfekte Verteidigung der Nordafrikaner zu durchbrechen. Erst in der 73. Minute fiel das erste Tor durch den gerade eingewechselten Mark Williams. Nur zwei Minuten später gelang demselben Spieler der zweite Treffer, und die Menschen im überfüllten FNB-Stadion in Soweto tanzten in einem Meer von südafrikanischen Flaggen. Schwarz und Weiß fielen sich nicht nur auf dem Spielfeld in die Arme und feierten einmal mehr Versöhnung durch ein Sportereignis. Fußball ist in Südafrika der Sport der Schwarzen, schon im Halbfinale und vor allem im Finale waren aber auch Tausende von weißen Fans im Stadion, viele Gesichter bemalt in den Farben der neuen südafrikanischen Flagge.
90.000 Fans bejubelten auch ihr Idol, Präsident Nelson Mandela, der oben auf der Prominententribüne begeistert aufsprang. Die Tore fallen vor allem für „Madiba“ (traditioneller Stammesname für Mandela), der ähnlich wie bei der Rugby-WM im vergangenen Jahr im Trikot der eigenen Mannschaft erschien. Wie damals ging Mandela vor dem Anpfiff aufs Spielfeld und schüttelte jedem einzelnen Spieler die Hand – diesmal allerdings in überraschender Begleitung. Ausgerechnet der Zulu-König Goodwill Zwelithini durfte an seiner Seite schreiten und stand auch bei der Pokalverleihung nach dem Spiel wieder neben Mandela.
Den Spielern war das wohl einerlei, politisch ist es ein deutliches Signal. Seit Wochen bemüht sich Mandela darum, eine neue Friedensinitiative für die Provinz Kwa Zulu/Natal auf den Weg zu bringen, wo über Weihnachten wieder Dutzende von Menschen politisch motivierten Massakern zum Opfer fielen. Gemeinsam mit Zwelithini heckte Mandela die Idee eines „Imbizo“ aus, einer traditionellen Versammlung aller Zulu, der Inkatha-Chef und Innenminister Mangosuthu Buthelezi eher ablehnend gegenüber steht. Daß Mandela mit dem König aufs Spielfeld ging, muß für Buthelezi ein ungeheurer Affront sein, seitens des Präsidenten ist es ein genialer PR- Streich.
Die Mannschaft ist spätestens seit ihrem fulminanten Sieg über Ghana im Halbfinale davon überzeugt, daß „Madiba“ ihr Glücksbringer ist; wie vor jenem Spiel stattete der Präsident auch diesmal dem Team einen Besuch in der Kabine ab und verhalf ihm damit, davon ist auch Kapitän Neil Tovey überzeugt, zum Sieg.
Zum zweiten Mal nach jahrzehntelanger Isolation während der Apartheid-Zeit war Südafrika Gastgeber eines internationalen Turniers. Und zum zweiten Mal gelang es, den Titel zu holen. Zu verdanken ist das nicht zuletzt der begeisterten Unterstützung der Fans bis hin an die Staatsspitze, was die Meisterschaften mehr zum Politikum denn zum Sportereignis werden läßt. Daß die Südafrikaner während des Turniers nicht gerade Sportsgeist bewiesen und nur zu den Spielen der eigenen Mannschaft ins Stadion gingen, ist vergessen. Jetzt strebt man zu neuen Ufern: sich für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren und sie auch gleich noch ins Land zu holen. Für 2006 will sich Südafrika ausgerechnet gegen Deutschland um die Austragung der WM bewerben – und erfreut sich dabei der Unterstützung des gegenwärtigen Präsidenten der FIFA, Joao Havelange. Und der von Nelson Mandela, selbstredend. Kordula Doerfler
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