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Reformgegner wird Duma-Präsident

■ Exkommunistischer Vorsitzender der Bauernpartei setzte sich durch / Rybkin bietet Präsident Jelzin Zusammenarbeit an

Moskau (AP/AFP/taz) – Die Duma, das Unterhaus des russischen Parlamentes, wird erneut von einem früheren Kommunisten geleitet. Der 47jährige Iwan Rybkin gilt als typischer Apparatschik. Im Obersten Sowjet, dem nach dem Umsturzversuch vom letzten Sommer von Präsident Boris Jelzin aufgelösten exsowjetischen Parlament, war er einer der wichtigsten Führer der Kommunisten gewesen. Bei seiner Vorstellungsrede am Donnerstag hatte sich Rybkin unter anderem dafür ausgesprochen, die Führer der gescheiterten Umsturzversuche von 1991 und 1993 zu amnestieren.

Die Kandidaten der reformorientierten russischen Parteien im Unterhaus waren bereits am Donnerstag bei Wahlgängen ausgeschieden. Bei der Wahl des Präsidenten des Föderationsrates, des Oberhauses des Parlaments, hatte am Donnerstag hingegen der Reformer und stellvertretende Ministerpräsident Wladimir Schumeiko gesiegt.

Für Rybkin, der mittlerweile Vorsitzender der „Agrarpartei“ ist, stimmten gestern 223 der Parlamentarier. 111 Abgeordnete votierten gegen den ehemaligen KP- Mann. Der parteilose nationalistische Abgeordnete und frühere Olympiasieger im Gewichtheben, Juri Wlassow, der ursprünglich gegen Rybkin angetreten war, war zuvor mit nur 23 Stimmen durchgefallen. Nach seiner Niederlage hatte Wlasow nach eigenen Angaben seine Kandidatur nur aufrechterhalten, um ein Nachrücken des Reformers Wladimir Lukin zu verhindern. Seine Anhänger hatte der ehemalige Sowjetsportler aufgefordert, im nächsten Wahlgang für Rybkin zu votieren.

Im Anschluß an seine Wahl sagte Rybkin der Moskauer Nachrichtenagentur ITAR-TASS, er werde für eine gute Zusammenarbeit zwischen Präsident Boris Jelzin und der Regierung „im Rahmen der Verfassung“ arbeiten. Als Parlamentspräsident ist Rybkin Nachfolger des inhaftierten Ruslan Chasbulatow, eines der Anführer des Umsturzversuches gegen Präsident Boris Jelzin im letzten Sommer. Nach der am 12. Dezember in einer Volksabstimmung angenommenen Verfassung haben Parlament und Parlamentspräsident ihren fast unumschränkten Einfluß auf wichtige Staatsbehörden an den Präsidenten verloren.

Der Rechtsextreme Wladimir Schirinowski hatte zuvor seine Kandidatur zurückgezogen, da er sich auf die Kandidatur für die russischen Präsidentschaft vorbereiten müsse.

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