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GASTKOMMENTARReformen gefordert

■ DDR-Kirche gibt Zurückhaltung auf

In der Debatte der Synode des Bundes der Evangelischen Kirche in der DDR waren die Sprecher sichtlich bemüht, auf polemische Formulierungen zu verzichten. Aber dennoch zeigte diese Aussprache, daß die SED aus ihrer Sicht dieses öffentliche Ansprechen von Tabus mit Recht gefürchtet und deshalb wohl nur den eigenen Sendern erlaubt hat, Ton und Bild der Synode aufzunehmen. Die Partei zeigt sich so verunsichert, daß sie selbst an diesem Synodalwochenende wieder Kirchenzeitungen gestoppt hat, nur weil in ihnen auch davon die Rede war, daß DDR-Bürger Schlange stehen müssen, um normale Lebensbedürfnisse zu befriedigen.

Das mag mit dazu beigetragen haben, daß Bischof Werner Leich, der Vorsitzende des Evangelischen Kirchenbundes, seine Zurückhaltung aufgegeben hat. Nicht mehr nur einige Reparaturen, nein, eine grundlegende Erneuerung der Gesellschaft in der DDR ist jetzt nach seinen Worten nötig. Und er sprach als Ziel von einer im Alltag zu erlebenden Gesellschaft mit „menschlichem Angesicht“, nicht als Alternative zum Sozialismus, sondern als dessen Reform unter den Bedingungen der Gegenwart.

Das erinnert an Formulierungen aus dem Prager Frühling. Bischof Leich dürfte sich bewußt gewesen sein, daß er damit ein besonders strenges Tabu verletzt hat. Das er es tat, zeigt den Ernst der Situation.

Reinhard Henkys (epd)

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