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Reform?

■ Betr.: Ungarn-Berichterstattung in der taz

betr.: Ungarn-Berichterstattung in der taz

Ungarn, Sommer 1989: Artig leistet das reformorientierte Land Handlangerdienste für die bundesdeutsche Big-rüberhole -Operation. Was macht es schon, wenn da die Wirtschaft der „reformfeindlichen“ DDR noch ein bißchen mehr geschwächt wird - der Anspruch der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Geltungsbereichs ihrer Staatsbürgerschaft geht allemal vor. Und was die territorialen Vorbehalte der BRD betrifft, die Waigel nur klarer als sonst üblich ausgesprochen hat, so dürften auch diese auf Verständnis seitens „reformerischer“ Ungarn stoßen.

Hat man doch durchaus vergleichbare Vorbehalte gegenüber den bestehenden Grenzen: So wird etwa in den Buchhandlungen und auf Büchertischen, gelegentlich auch in Hotels und Ämtern eine Landkarte dargeboten, auf der Ungarn keineswegs bloß das Territorium der Volksrepublik, sondern auch große Teile Jogoslawiens, knapp die Hälfte Rumäniens, nahezu die gesamte Slowakei, ein Stück Sowjetunion und sogar einen Streifen Österreich umfaßt. All dies notabene unter dem Zeichen der - von zwei Engeln getragenen - königlichen Stephanskrone und dem alten monarchischen Staatswappen. Natürlich ist derlei Groß-Ungarn-Propaganda und Monarchismus -Verklärung keine „Realpolitik“. Sie ist aber durchaus reale Politik im Sinne einer allgemeinen reaktionären Ausrichtung der ungarischen Gesellschaft. Wie sehr diese Ausrichtung unter der irreführenden Bezeichnung „Reform“ verläuft, wird am sinnfälligsten bei jener gleichnamigen ungarischen Zeitung, deren Zeitungskopf sich ebenfalls mit dem alten monarchischen Statswappen schmückt.

Von daher erscheint es angebracht, die übliche Dichotomie von guten „Reformern“ und bösen „Reformgegnern“ etwas kritischer zu sehen...

Johanna Fabricius, Bonn

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