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Reden von Schwarzgrün Grün verjagd Träume

■ Für die Bremer Grünen ist die Ampel kein Modell mehr / Fücks meets den CDU-Politologen Dettling Einladung von Fücks im Rathaus

„Die CDU wird nicht umhin kommen, ein unverkrampftes Verhältnis zu den Grünen zu bekommen“, erklärte CDU-Mitglied Warnfried Dettling, früher Süßmuth-Berater, heute Politikwissenschaftler und Zeit-Autor. Der Bremer Grünen-Senator Ralf Fücks hatte Dettling eingeladen, weil ihn gerade dies interessierte. Er hörte es also gern, mußte sich dennoch gleich distanzieren: Nicht mit dieser CDU, meinte Fücks, das könne nur eine „tödliche Umarmung“ werden. „Die Akteure sind noch nicht reif dafür“, der „Ausbruch aus dem rechts-links-Schema ist noch nicht politikfähig“.

Klein war die Runde im Rathaus, die sich für den schwarz-grünen Dialog interessierte - kaum jemand insbesondere aus der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft. Dettling, der selbst einmal einer Reformströmung in der CDU angehört hatte, ist der beste Beweis dafür, wie schnell sowas weggedrückt wird. „Warum muß Kohl zum 5. Mal Kanzler werden?“, fragte er rhetorisch. Während Fücks darauf insistierte, daß das reformerische Potential heute weitgehend bei den Grünen versammelt sei („Es geht nicht ohne uns“), hofft Dettling dagegen auf eine Zwangslage: Wenn durch die Erosion der großen Parteien eine kleine Koalition nicht mehr die Mehrheit bilden kann, weder CDU plus FDP noch SPD plus Grüne, dann müßten die Lager in Bewegung kommen. Die SPD ist für ihn so sehr in ihren Traditionen verfangen, daß von ihr allein keine Reform zu erwarten ist.

Wobei es thematisch große Felder gibt, in denen Konsens unter den politischen Intellektuellen erzielbar wäre: Daß der „Sozialstaat“ durch mehr Hilfe in dezentralen Nachbarschafts-Netzen reformiert werden muß, wenn er vor den Scheibchenweisen Kürzungen gerettet werden soll, daß mehr gesellschaftliche Initiativen gefördert werden müssen, Wettbewerb bis ins Hochschulsystem hinein, daß in der Außenpolitik weder ein pazifischistisches Dogma gelten kann noch ein nationales, das war zwischen dem Grünen und dem Schwarzen grundsätzlich Konsens und auch viele SPD-Mitglieder im Saal nickten beifällig. „Sie sind in der CDU, ich bei den Grünen - warum eigentlich?“, fragte irgendwann einmal der Grünen-MdBBü Hermann Kuhn.

Während die Grünen aber auf „Rot-grün“ setzen und schon wissen, daß diese Idee für kaum mehr als 40 Prozent gut ist am 16. Oktober, hofft der CDU-Mann Dettling verzweifelt auf das, was nach seiner Analyse sowieso kommen wird: Die große Koalition. Dann könnten die Grünen forsch aus der Opposition wirken, und die beiden Großen müßten beweisen, daß sie etwas verändern, meinte er. Jedenfalls könnte es so sein. Außer dem Beifall für Geisler hatte Dettling aber auf nichts zu verweisen, was derartige Hoffnungen nähren könnte.

Interessant zu beobachten war, wie es die Grünen in dieser Debatte sorgsam vermieden, die realistische Alternative zur großen Koalition ins Gespräch zu bringen. „Die Bremer Ampel ist keine Eintagsfliege“, meinte zwar Fücks, aber diese Konstellation bereite Tag für Tag eher „Mißvergnügen“. Früher hatte Fücks bei diesem Thema noch zwischen der Bonner und der Bremer FDP differenziert. Früher, auch das ein Ergebnis dreijähriger Ampel-Erfahrung, hatte Fücks noch die Erwartung ausgesprochen, die Beharrungskräfte der alteingessenen SPD könnten sich als unvergnüglicher erweisen als die Lobby-Bindungen der FDP. Aber diese Erwartungen scheinen enttäuscht.

Die Einladung an Dettling dokumentiert schließlich diesen Abschied auch: Von der FDP interessierte sich niemand für das, was Anfangs einmal „Schwampel“ genannt wurde. Die Frage, ob es in Bonn eine Alternative zur großen Koalition gibt, wenn die FDP die 5 Prozent nicht schafft, stand offen im Raum. K.W.

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