Rede von Lindner bei Bauernprotesten: Gelber Schleim düngt keinen Acker
Weil Christian Lindner den Bauern nichts anzubieten hat, versucht er sich mit rechten Sprüchen anzubiedern. Liberaler Mut sähe anders aus.
Vielleicht ist es ganz gut, dass die Bauern am Montag den Finanzminister am Brandenburger Tor kaum hören konnten. Denn wen zwischen Buhrufen und Hau-ab-Slogans doch ein paar Worte erreichten, hörte vielleicht diesen Satz: „Ich bin neben Wiesen, Feldern und dem Wald aufgewachsen.“ Das rief Christian Linder in Berlin den aufgebrachten Landwirtinnen und Landwirten zu. Es sprach also ein ausgewiesener Agrarexperte, der noch dazu ein cleverer Haushälter ist.
Tatsächlich wurde der FDP-Finanzminister schon mal beim Ausmisten eines Stalls beobachtet, er sprach dabei von einem „neuen Familienmitglied seiner Frau“, bei dem es sich um ein Pferd handelte. Lindner versuchte mit dieser Geschichte vor dem Brandenburger Tor das Wohlwollen der Bäuerinnen und Bauern zu gewinnen: „Ich bin schon fertig, wenn ich den Pferdestall einmal ausgemistet habe. Deshalb weiß ich, was das für eine Arbeit ist, es den ganzen Tag und jeden Tag zu machen.“
Damit nicht genug, um seine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen, legte der Porsche-Fahrer und Sylt-Liebhaber noch eine Schippe drauf: „Ich kenne die steigenden Kosten für Futter, für Strom und für Kraftstoff“, rief Lindner in die Menge. Hätten ihm nach diesen Worten die Herzen nicht doch zufliegen müssen? Nein. Denn im Umkehrschluss wäre es ja nur konsequent, wenn die Landwirtinnen und Landwirte schlössen, sie verstünden etwas von Haushaltspolitik, weil sie sich neben dem Bundestag befinden.
Doch den Bauern ging es nicht um den Austausch oder Lindners Anekdoten aus der Landwirtschaft, so wie Demonstrationen auch sonst kein Ort für Diskussionen sind. Bei einem Protest geht es darum, Standpunkte deutlich zu machen. Der Finanzminister und die anderen Bauern-Schleimer aus dem Kabinett haben das nicht verstanden und das Spiel verloren.
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FDP-Ideologie pur
Dabei gab Lindner nur ein besonders peinliches Bild ab. Seine Ausflüge mit der Mistgabel lehrten den Finanzminister offenbar wenig über Werte wie Zusammenhalt und Gemeinschaft, wie sie in der Landwirtschaft hochgehalten werden. Hätte er eine auf die Menge vor ihm zugeschnittene Rede gehalten, wie er es dachte zu tun, hätte er besser nicht gegen seine Kolleginnen aus der Koalition geätzt. „Jetzt ist die Gelegenheit, die seit Renate Künast überzogenen Umweltstandards zu diskutieren“, rief der Finanzminister und schob ein Evergreen der Grünen-Kritik hinterher: „Jetzt ist die Gelegenheit, ideologische Bevormundung der Betriebe zu beenden und wieder zu mehr Realismus zu kommen.“
Dachte der Finanzminister wirklich, mit solchen Allgemeinplätzen bei den Landwirtinnen und Landwirten punkten zu können? Auch ein Bauer kann dem FDP-Mann die ideologische Bevormundung durch das Beharren auf der Schuldenbremse vorwerfen und mehr Realismus in der aktuellen Haushaltsplanung fordern.
Die Anbiederung Lindners hat einen Nachgeschmack. Der Politiker und Journalistinnengatte verbat sich den von „der Politik und von den Medien“ formulierten Verdacht über eine rechte Unterwanderung der Bauernproteste. Dabei versuchte sich der Finanzminister in der Hoffnung auf Zustimmung von den Landwirtinnen und Landwirten selbst mit rechter Stimmungsmache: „Wir dürfen es nicht länger tolerieren, wenn Menschen sich weigern, für ihr Geld zu arbeiten“, rief der Finanzminister, nachdem er Kürzungen der Asylbewerberleistungen und des Bürgergelds in Aussicht gestellt hatte.
Der aufgebrachten Menge waren all diese Ausführungen egal. In ihrem Lärm ging auch unter, dass Lindner an den Subventionskürzungen beim Agrardiesel festhält. Dass der Finanzminister ihnen nichts zu bieten hatte außer gelbem Schleim – das war die einzige Botschaft, die Lindner an diesem Tag unter die Leute brachte.
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