■ Zur Rolle der Eliten: Rechter Populismus
Immer wenn Medien, Politiker und Forschung sich mit dem anwachsenden Rassismus in Europa beschäftigen, richten sie ihren Blick ins Ausland, zur extremen Rechten, in verarmte Innenstadtbezirke, auf arbeitslose Jugendliche, auf Skinheads, auf die weniger Privilegierten. Natürlich kann nicht geleugnet werden, daß Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in diesen Gruppen existieren. Dennoch sollten die Eliten der europäischen Gesellschaften bei der Suche nach rassistischen Stereotypen sowie nach Strategien zu deren Bekämpfung bei sich selbst anfangen.
In Deutschland haben kritische Beobachter immer wieder darauf hingewiesen, daß das Gezänk der Politiker über Flüchtlinge, die Änderung des Asylrechts sowie die dramatisierende Darstellung dieser Debatte in der konservativen Presse Aggressionen gegen Ausländer und Minderheiten nachhaltig beeinflußt haben. Und dies ist nur ein Beispiel. Forschungen aus verschiedenen Ländern belegen, daß führende Politiker, Journalisten, Ausbilder und Wirtschaftler sehr viel mehr Teil des Problems sind als dessen Lösung. Auch in den Niederlanden benutzen Politiker praktisch aller großen Parteien den laufenden Wahlkampf dazu, die Opfer rechter Gewalt als schuldig zu erklären, indem sie sie zur Erklärung sozialer Probleme benutzen. Ähnliche Varianten eines rassistischen Populismus finden sich in ganz Europa: Viele Politiker, nicht nur die extreme Rechte, unterstützen mit ausländerfeindlichen Redensarten genau die Ressentiments, die sie zu bekämpfen behaupten.
Auch Journalisten reagieren meist unreflektiert auf derartige Aussagen und assoziieren gesellschaftliche Probleme und „angebliche Bedrohungen“ mit Einwanderung und Minderheiten. Sie berichten über Skinheads oder über von Minderheiten begangene Verbrechen, nicht aber über das Verbrechen der alltäglichen Diskriminierung. Ein Thema jedoch behandeln sie nie: die Rolle der Medien bei der Reproduktion von Rassismus.
Die gesellschaftlichen Eliten – und das sind weiße Eliten – kontrollieren die sozialen, ökonomischen und kulturellen Ressourcen. Dazu gehört der bevorzugte Zugang zum öffentlichen Diskurs – in der Politik, den Medien, der Ausbildung und Lehre. Somit kontrollieren sie die Mechanismen ethnischer Überlegenheit und Ungleichheit. Sie entscheiden, wer in das Land gelassen wird, wer wie untergebracht, angestellt oder ausgebildet wird. Wäre die Mehrheit von ihnen nicht nur liberal und tolerant – wie sie immer behaupten –, sondern aktiv antirassistisch, und würden sie in den vielen Bereichen des Lebens, über die sie weitgehende Entscheidungen treffen, mit gutem Beispiel vorangehen, wäre Rassismus in Europa möglicherweise bald ein Problem der Vergangenheit. Teun van Dijk
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