Rechte in den USA: Auf der Schulter das Sturmgewehr
Bewaffnete Gegner der Corona-Maßnahmen laufen im Bundesstaat Michigan auf. Sie bedrohen die demokratische Gouverneurin mit dem Tod.
Szenen aus einer Demonstration vor dem Kapitol in Lansing, der Hauptstadt von Michigan: Mehrere radikal rechte Organisationen sowie die üblichen SchusswaffenfreundInnen haben am Donnerstag, den 14. Mai, zum „Judgement Day“ deklariert – zum Tag des Jüngsten Gerichts. Sie sind gegen die Verlängerung der Pandemie-Ausnahmeregeln. Und sie sagen, dass sie die „Freiheit“ verteidigen und die „Tyrannei“ bekämpfen.
Bei ihrem dritten Aufmarsch an dem Ort, an dem sonst die gewählten PolitikerInnen des 10-Millionen-EinwohnerInnen-Bundesstaats arbeiten, wollen sie zur blutigen Tat schreiten. Auf mehreren „privaten“ Facebookgruppen mit Zigtausenden von Mitgliedern bedrohen Leute aus ihren Kreisen die Gouverneurin Gretchen Whitmer. Sie wünschen der Demokratin mit den langen braunen Haaren den Tod. Ungehemmt diskutieren sie Mordfantasien, die von Lynchen über Erschießen bis zur Guillotine reichen.
Zuletzt sind die Rechten in dieser Sache am 30. April aufmarschiert. An dem Tag kamen schwer bewaffnete Männern auf die Galerie im ersten Stock, während unten die ParlamentarierInnen debattierten. „Es war eine Einschüchterung“, beschreibt Senatorin Mallory McMorrow die Szene, bei der vier Männer mit Gewehren direkt hinter und über ihr saßen. Die Polizei ließ die rechten Demonstranten gewähren. Im Kapitol von Michigan ist das Tragen von Schusswaffen erlaubt. Die Schusswaffenlobby in dem Bundesstaat ist stark.
Kapitol geschlossen
Dieser Donnerstag ist anders. Das Kapitol bleibt geschlossen. Angesichts der Gewaltdrohungen haben sich die GesetzgeberInnen vertagt. „Die Terroristen haben gesiegt“, seufzen manche Linke.
Michigan ist ein Versuchslabor für die Rechten. Im Jahr 2016 hat Trump den Bundesstaat mit einem Viertelprozentpunkt Vorsprung knapp gewonnen. Aber 2018 rücken die Michigander wieder von den Republikanern ab. Sie wählen die Demokratin Whitmer mit zehn Prozentpunkten Vorsprung zu ihrer Gouverneurin.
Sie ist 48, eine Hoffnungsträgerin der Demokratischen Partei, gelegentlich als potenzielle Vizepräsidentin im Gespräch und angetreten mit einem Programm zu Verteidigung der Krankenversicherung und zur Verbesserung der Infrastruktur. Einer ihrer Slogans lautet: Lasst uns die verdammten Straßen reparieren. Zusätzlich steht sie für eine – wenngleich zaghafte – Schusswaffenkontrolle.
Whitmer ist schon lange im Visier der Rechten. Aber seit sie zu Beginn der Pandemie das Gegenteil von Trump getan, per Dekret alle nichtessenziellen Betriebe geschlossen und das Maskentragen zur Pflicht gemacht hat, konzentrieren sich ihre GegnerInnen auf die Stay-at-home-Regeln.
Unterstützung von Trump
Aus Washington bekommen die Whitmer-GegnerInnen Unterstützung von Trump. „Befreit Michigan“, twitterte er Mitte April. Dieselben Parolen gibt er auch in Richtung anderer demokratisch regierter Bundesstaaten aus, die er im November gewinnen will, darunter Nevada, Minnesota, North Carolina und Virginia. „Diese Frau in Michigan“ nennt er die populäre Gouverneurin Whitmer, als könne er sich nicht an ihren Namen erinnern.
Whitmer lässt sich weder von dem Präsidenten noch von Demonstrationen von Gruppen wie „Michigan United for Liberty“ und „Michigan Freedom Fund“ oder von den anhängigen Klagen gegen ihre Pandemie-Politik beeindrucken.
Die Covid-19-Zahlen geben ihr recht. Ihr Bundesstaat steht bei der Bevölkerung zwar erst an zehnter Stelle in den USA, belegt mit 4.787 Covid-19-Toten aber Platz vier in der Sterbeliste. 79 der 83 Counties von Michigan haben Infizierte. Am schwersten betroffen ist Detroit. Sie hat eine der höchsten Infektionsraten aller US-amerikanischen Städte.
Zwei Drittel der Michigander unterstützen die Pandemie-Politik ihrer Gouverneurin. Aber die DemonstrantInnen, die sich am Donnerstag in Lansing versammeln, wollen nicht nur die Stay-at-home-Regeln, sondern gleich auch die Gouverneurin loswerden. Manche von ihnen laufen mit NS-Symbolen und Fahnen der Konföderierten herum, die im Bürgerkrieg für die Beibehaltung der Sklaverei gekämpft haben.
„Blei fressen“
Auf einer „privaten“ Facebookseite droht ein gewisser James Greena, die Gouverneurin solle „Blei fressen, damit andere Demokraten verstehen, dass sie die Nächsten sein werden“. Erst nachdem die Detroit Metro Times über die zahlreichen Gewaltdrohungen berichtet hatte, schloss Facebook die Seite Anfang dieser Woche.
Die DemonstrantInnen vor dem Kapitol – unter ihnen auch Frauen und Kinder – stehen dicht an dicht. Sie wollen die Geschäfte und Betriebe sofort wieder aufmachen und sie wollen sich weder an Sicherheitsabstände noch Maskenregeln halten. In einem Wahljahr, in dem die Angst vor bewaffneten Zusammenstößen wächst, demonstrieren sie Stärke.
An diesem Donnerstag, als das Kapitol in Lansing geschlossen ist, sind die Whitmer-GegnerInnen nicht ganz allein. Ein paar UnterstützerInnen der Gouverneurin tummeln sich in ihrer Mitte. „Ich stehe zu ihr“, hat eine Krankenschwester auf ihren nackten Unterarm geschrieben. Am Hosenbund trägt sie eine Pistole.
Die Gouverneurin will Michigan wegen der hohen Infektionsraten nicht vor dem 11. Juni aufmachen. Die Demonstrationen, so mahnt sie in einem Interview am Donnerstag, könnten das Virus noch weiter verbreiten: „Auf eine perverse Art machen sie es wahrscheinlicher, dass wir die Bleibt-zu-Hause-Regel verlängern müssen.“
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