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■ Reaktionen zur Flutwellen-BerichterstattungMenschelnder Rassismus?

betr.: „Medienticker“, taz vom 5. 1. 05, „Wenn Egoisten spenden“, Kommentar von Matthias Urbach, „verboten“, „Die Nacht der Guten Onkelz“ von Wiglaf Droste, taz vom 6. 1. 05

Nun haben sie ja wieder ihr gefundenes Fressen. Welch ein unerwarteter Glücksfall für die Medien all over the World ist doch diese Flut. Ja, auch Sie von der taz sind gemeint.

Kommentare, Berichte, Spendenaufrufe und in einem halben Jahr die ersten Verschwörungstheorien, Comics und Witze. Focus TV sieht die Tsunami-Gefahr sogar schon in Europa. Wo sonst der Börsenticker läuft, sieht man jetzt die Highscores der Toten unterteilt nach europäischen Nationen sowie nach Schon-Toten nebst Noch-Vermuteten-Toten. Interessiert uns wirklich, wie viele Deutsche gestorben sind? Trauern wir um die deutschen Unbekannten mehr als um die anderen Unbekannten? Trauern wir überhaupt? Oder sind wir nur entsetzt? Verdammen wir die Medien nicht dafür, dass sie uns so viel Elend, so viel Gewalt, so viel Flut auf den Abendbrottisch servieren? Und wollen wir es nicht doch sehen? Sind wir es nicht, die erregt geschockt nach jeder Amateuraufnahme gieren? Gequält trauernd und sogar ehrlich traumatisiert kommentieren uns Journalisten die Vorgänge. Und sind wir es nicht, die diese Kommentare verschlingen wie warme Semmeln? Und doch sind es auch wir, die es schon nicht mehr sehen, lesen und hören können. Trotzdem schauen wir immer mal wieder rein. Komisch.

Was ist gut daran, dass wir Verwüstung, Elend, Tod fast live erleben? Diesmal ist alles anders, es ist alles echt. Hollywood ohne Hollywood. Und wir empfinden bei den Bildern. Wir scheinen zu wissen, dass es echt ist und monströs. Unser Glaube an uns, an die Bezwinger der Meere, des Weltalls usw. wird aktualisiert durch unsere verdrängte Unfähigkeit und Schwäche. Das Kuriose daran ist, dass nur dann, wenn wir einmal mehr daran erinnert werden, wie klein, wie dumm wir Menschen sind, wenn unser falscher Stolz, unser Glaube an die Krone der Schöpfung gekränkt und verletzt wird, genau dann sind wir in der Lage, mal wieder menschlich zu handeln. Auf einmal arbeitet die Welt Hand in Hand.

Und darum möchte ich mich bei den Medien, vor allem aber beim Fernsehen, bedanken. Es zeigt uns immer mal wieder, wie unkreativ, schlecht und hilflos wir wirklich sind. ERIC WALLIS, Greifswald

Alle sind doch nur deshalb so schrecklich betroffen, schweigen ganze drei Minuten und spenden wie wild, weil die Flut im Indischen Ozean so viele Ausländer mit in den Tod gerissen hat. Was ist mit Somalia, Irak, Kongo, Tschetschenien usw.? Ach so, keine Touristen in Not oder gestorben, nur Einheimische … Ist das nicht menschelnder Rassismus? SUSAN KUNZE, Groß Glienicke

Beide Artikel („Wenn Egoisten spenden“ sowie „verboten“) sind absolut klar erfasst. Doch was ist der Grund für ein solches Verhalten?

Fernsehen: WDR-„Lindenstraße“ = Angewöhnung, anderen Leuten in die Familie hineinzuglotzen! Presse: Wer hat wen als nächste Freundin oder Ähnliches bzw. Schlimmeres = Neugier befriedigen! T-Online: Das gleiche Prozedere wie eben beschrieben. = Amüsieren! Amüsieren! Amüsieren! So viel wie: „Brot und Spiele“! Mit anderen Worten, Ablenken von wichtigen eigenen Themen!! Zum Beispiel: Wie bekommen wir die Arbeitslosigkeit in den Griff? Alle wissen: Wenn Automaten die Arbeit leisten, brauchen wir keine Menschen mehr. Und man kann wieder mehr an wenige Leute Dividende auszahlen! Es scheint heute, als wäre das Geld nur noch für diesen Zweck „geboren“! Und was machen die „Experten“, wenn die Menschen nun zum überwiegenden Teil arbeitslos sind, sich keine Konsumgüter mehr leisten können, die Automaten überflüssig werden, die Dividende auf Halde liegen? Na klar! Wie im alten Rom: „Brot (Volksküche) und Spiele“ (Fernsehen, Lustblätter) usw. Mit einem Wort: „Dekadente Dekadenz!“ Doch merke: Das alte Rom ging unter!

KLAUS GETZIN, Sankt Augustin

Danke, taz und danke, Wiglaf! Ich dachte schon, ich sei nicht normal. Doch offenbar gibt es auch andere, denen das jetzt überall zelebrierte Gutmenschentum zuwider ist. Warten wir noch ein paar Wochen – oder bis zum nächsten Krieg in einem Land, in dem nicht jeder zweite Deutsche schon mal devisengönnerhaft am Strand gelegen ist oder die trotz der einfachen Lebensverhältnisse angeblich so glückliche Bevölkerung kennen gelernt hat. Dann wird wieder schulterzuckende Normalität eingekehrt sein. Bis zum nächsten Event, das man mit ein paar wenigen Millionen Euro konkreter Entwicklungshilfe (wie hier für ein Warnsystem) hätte vermeiden können.

LORENZ HUCKE, Dortmund

Es ist schon verwunderlich, dass es erst eine sicher abwendbare Flut von Toten braucht, bis die besser betuchten Länder dieses Erdenrunds ihre Staatssäckel für die von der Globalisierung nicht so sehr bedachten Opfer der Meeresflut öffnen. Eine einmalige Sache. Großzügig und großmütig. Doch ich frage mich: Wo bleibt Darfur? Wo bleiben Somalia oder die anderen Länder, die wir gern als Entwicklungsländer oder Dritte-Welt-Länder bezeichnen? Die bekommen von den 500 Millionen Euro nichts ab. Die Bewohner dieser Länder werden weiter an Hunger, fehlendem Trinkwasser und unzureichender medizinischer Versorgung leiden, die Kinder dieser Länder werden geprägt von Elend, Leid und Hass. Niemand ist dort, um mit der Kamera eine 24-Stunden-7-Tage-die-Woche-Bilderflut zu produzieren, die uns die Sinne raubt und überreizt und Emotionen weckt, die wir nicht zu kennen glaubten.

Die deutschen Staatsgebilde hatten in Afrika zwar nie viele Kolonien, aber aus der Erfahrung unserer eigenen Geschichte sollten wir es besser wissen und diese Meeresflut zum Anlass nehmen, unsere eigene Haltung gegenüber diesen Entwicklungsländern zu überdenken. Die Völker dieser Erde müssen enger zusammenrücken und sich gegenseitig unterstützen. Hilfe zur Selbsthilfe und der uneingeschränkte Zugang zu Wissen sollte uns mehr wert sein als eine globalisierte Welt des ständigen Strebens nach fassbaren Reichtümern: die Menschlichkeit. Sie braucht keine Kameras, nur offen Augen, Ohren und Herzen. MARTIN WOITON, Dresden

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