piwik no script img

■ Reaktionen zum Text von V. RoggenkampDiese Haltung bedient Vorurteile

betr.: „Sexismus and the City“ (Das Schlagloch), taz vom 25. 9. 02

Noch nicht einmal auf dem Bürgersteig ist frau, als „erkennbar ältere Frau aus dem Westen“, vor der Bedrohung durch junge deutsche und/oder muslimische Männer sicher. „In die Eier treten“ traut Frau Roggenkamp sich nicht. Schill würde ihr sicher helfen, Ordnung zu schaffen, damit frau unbehelligt von Hundescheiße, Bierdosen und aggressiven, jungen Männern sicher in „ein sehr gutes portugiesisches Restaurant“ gelangen kann.

Die Wut über das persönliche Erlebnis verallgemeinernd mit politischen, religiösen und anderen Ressentiments zu vermengen und dies auch noch in der taz auszuplaudern, ist für die Leserin schwer erträglich. Das in diesem Zusammenhang von Frau Roggenkamp als Lektüre empfohlene „intolerante Pamphlet“ von Oriana Fallaci ist nun genau das Gegenteil eines vermuteten „Gründungsdokuments eines europäischen Liberalismus, der diesen ehrenvollen Namen wieder verdienen könnte“.

Frau Roggenkamp befindet sich mit ihrer Haltung eben genau in einem Boot mit den Männern, die die Konflikte und damit verbundenen Ängste schüren, statt zu ihrer Lösung beizutragen. Das Gegenteil von etwas oder „die andere Seite der Medaille“ ist eben auch dieselbe Medaille und nicht eine andere Struktur. […]

Einen so platten Gegensatz zwischen Männern, Muslimen und Frauen, Juden, Demokraten, Europäern etc. zu konstruieren, ist die Fortsetzung von Anti-…, das ist altbekannt. Eine solche Haltung bedient Vorurteile, ähnlich wie Möllemanns Behauptung, die von ihm kritisierten Männer würden mit ihrem Verhalten oder ihrer Politik bekannte Ressentiments selbst fördern. Die Bosheit dieser Haltung liegt darin, die Kritik an dem Verhalten Einzelner auf die Religionsgemeinschaft oder soziale Gruppe generell auszudehen oder zu übertragen.

Nichts gegen die Integration der „dunklen Seite“. Widerstand gegen Diskriminierung beginnt damit, diese „rasende Einseitigkeit“ bei sich zu sehen, dem Wunsch sie auszuleben jedoch zu widerstehen. Auch wenn es manchmal schwer fällt, seine Wut nur dem Tagebuch und nicht der Tageszeitung anzuvertrauen. […]

MARGRIT GEHRHUS, EIKE BOLLAND, Kassel

Endlich, endlich mal der Artikel, der mir schon so lange fehlt. Und das in der generell eher misogynen taz. Es wird höchste Zeit, dass wir Frauen uns wieder darauf besinnen, dass wir keineswegs als gleichberechtigt, geschweige denn gleichwertig in dieser Gesellschaft angekommen sind. Uns werden schon längst wieder unsere erreichten Positionen streitig gemacht. Wir haben uns einlullen lassen von Sprücheklopfern und machen gern die Augen zu, meinen, die Gesellschaft an sich ist gewalttätiger geworden. Was stimmt. Was aber bedeuten müsste, dass wir noch mehr auf unsere Rechte, auf unser Sein pochen müssten. Weiter dafür kämpfen, dass wir nicht wieder überall rausgedrängt und verdrängt werden. Der schleichende Prozess ist längst im Gange. Auch in Deutschland hat jede Frau ihren Pascha immer noch zu Hause – ja ja, es gibt Ausnahmen! – und wenn der richtig Druck macht, setzt er sich immer noch durch. Bei der Beschäftigungslage schon gar.

Mir ist es gleichgültig, ob man mich als Rassistin beschimpft, ich bin keine. Denn es ist wahr, dass die muslimischen Gesellschaften Frauen unterdrücken. Das habe ich in Afghanistan, im Iran, der Türkei, in Dubai und Indien gelernt. Wir müssen uns davor hüten, dass derlei Gedankengut sich in den Köpfen „unserer“ Männer festsetzt. Es diffundiert schon, die stete Gegenwart der türkischen Paschas, die devote Tracht der Frauen, sie wirken wie schleichendes Gift. […] Ich will aber nicht denen das Wort reden, die als Konsequenz rufen „Ausländer raus.“ Nein, wir sollten versuchen, uns mit den muslimischen Frauen auseinander zu setzen, überhaupt müssten Frauen sich wieder vielmehr an Frauen orientieren. Und den selbst ernannten Paschas – die das nur sein können, wenn ihre Frauen das erlauben – sollten wir im Notfall tatsächlich kräftig in die Eier treten. […]

HILDEGARD BEHRENDT, Berlin

Frau Roggenkamp fängt an mit männlichen Verkehrsrowdys, die sie selbst als Idioten beschimpft, und die darauf barsch reagieren, und endet mit dem Satz: „Nicht die gesellschaftliche Präsenz und das Können von Mädchen und Frauen zerstören familiären Schutz, sondern die Verweigerung verantwortlicher Väterlichkeit.“ Ein gewagter thematischer Bogen! […] Bevor Roggenkamp aber – völlig aus dem Zusammenhang gerissen – die Väter entdeckt, gilt es noch ein paar Takte zu einem Buch von Oriana Fallaci im Zusammenhang mit Verkehrsrüpeln zu verlieren: „Am besten gleich in die Eier treten, empfiehlt Oriana Fallaci.“ Frau Roggenkamp lehnt das ab, weil das für sie selbst womöglich fatale Konsequenzen hätte. Ansonsten könnte der Tritt ins Gemächt durchaus ein Highlight sein, das ihren Tag erhellen würde.

„In ihrem Buch ‚Die Wut und der Stolz‘ ruft Fallaci auf zum Widerstand des Westens gegen den so genannten ‚heiligen‘ Krieg, den sie nicht als Aktion einiger islamischer Fanatiker begreift, sondern als bedrohliche Massenbewegung gegen unsere Demokratie, unsere Kultur, unser Wissen und dazu als eine bedrohliche Männerbewegung gegen jede selbstbestimmte Frau.“ Welch eine Reihung: Eine als bedrohlich wahrgenommene Männerbewegung – die sich offenbar besonders im Personennahverkehr ihre Domänen sucht! – als Massenbewegung gegen Demokratie, Kultur, Wissen? […] Und als wäre das alles noch nicht genug, kriegen die arabischen Macho-Kulturen ihr Fett auch noch ab wegen ihrer „antijüdischen Hetze, die der faschistischen Nazisprache nicht nachsteht“. Nicht dass wir uns damit nicht mal befassen wollten, aber bitte: Wie kommt man in der Folge von zwei unerfreulichen Begebenheiten im Straßenverkehr auf so was? Und welchem Hype frönt jemand, dem keine Reizvokabel ohne Steigerungsform mehr reicht, bis es dann sogar eine „faschistische Nazisprache“ gibt? JOACHIM BELL, Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen