■ Reaktionen der taz-LeserInnen zum Einsatz der Bundeswehr im Krieg gegen Afghanistan: Oppositionelle Grüne sind gefragt
betr.: „Schröder wird Kriegskanzler“ u. a., taz vom 7. 11. 01; „Die angeforderte Anforderung: Schröder will in die erste Reihe“, „Rot-Grün bangt um die Mehrheit, die Union stellt Bedingungen“ u. a., taz vom 8. 11. 01
Gerhard Schröder und Joschka Fischer haben sich jetzt qualifiziert als Spitzenkandidaten für CDU/CSU. Abwegig ist nicht, was Harald Schmidt in diesem Sinne anmerkte.
Weder Mühen und Kosten werden gescheut und kein menschliches Leid, um eine neue Herrschaft in Afghanistan zu etablieren. Das wäre ein vorweisbarer militärischer Erfolg. Dass der Terrorismus weiter virulent bleibt, wird danach Anlass sein für weitere Heldentaten. DIETRICH JAHN, Hannover
Irgendwie fühle ich mich, meine Generation verraten. 1946 geboren, habe ich, sozusagen „mit der Muttermilch eingesogen“, den Leitsatz in Kopf und Herz: „Deutschland will nie wieder Krieg“, weder ihn anfangen noch in irgendeiner Weise mitverantwortlich sein. [...]
Kurz nach dem 11. September, als die Journalisten noch einfach Informationen suchten und brachten, war die Rede davon, dass Bin Laden zirka 200 Gefolgsleute hätte. Ein ganzes Land für 200 Fanatiker opfern?
Im Sommer dieses Jahres kam über das Internet ein Hilferuf aus Afghanistan. Es wurde geschildert, wie die Frauen dort unterdrückt werden. Ihre Lebensbedingungen waren unerträglich, ja lebensgefährlich. Völker, die so restriktiv mit der Hälfte ihrer Humanressourcen umgehen, setzen das Prinzip des Ausgleichs außer Kraft. Es kommt zu Mord und Totschlag, den man dann Revolution oder Krieg nennt – oder auch heiliger Krieg. Ein wirksames Mittel zur schnellen „Reparatur“ einer solchen Gesellschaft kann nur eine sofortige Stärkung der Lebensbedingungen bzw. der gesellschaftlichen Position von Frauen in dieser Gesellschaft sein.
Wir hören zwar täglich mehr oder weniger über Soldaten und Waffensysteme, aber nichts über Maßnahmen, die die Frauen in Afghanistan stützen und stärken, um eine friediche Revolution von innen möglich zu machen. Frauen in der Welt, lasst uns aufstehen und unseren Männern die Leviten lesen.
ELKE WIESENBERG-MÖLLER, Wickerode
Alles ist wie ein Traum, aus dem man aufwachen möchte. Jahrelang ist gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr protestiert worden, offenbar vergeblich. Es ist eine ganz neue Qualität des Schreckens, dass all das, was zu unserem Entsetzen in Manövern ausprobiert oder ins Ausland verkauft wurde, jetzt tatsächlich eingesetzt wird. Wozu brauchen die beteiligten Staaten Spezialeinheiten, wenn die Atombombe beziehungsweise Chemiewaffen bereits gefallen sind? [. . .]
KATJA VIEBAHN, Oldenburg
Die Grünen sind in der Situation der SPD im September 1914: Ihre Zustimmung zum deutschen Truppeneinsatz wird nicht wirklich gebraucht, macht sich aber gut, um Geschlossenheit zu demonstrieren. Im Effekt gibt sie dem militärisch-politischen Establishment der Nato freie Hand, so wie der „Burgfriede“ von 1914 dem kaiserlichen.
Solidarität hat aber da ihre absolute Grenze, wo sie unangemessenes, unverantwortbares, ja verbrecherisches Handeln deckt. Und auch unsere lieben Verbündeten haben jede Menge Kriegsverbrechen begangen und werden sie weiter begehen.
Es geht nicht darum, ob in Afghanistan amerikanische oder deutsche Soldaten kämpfen und sterben. Aber es geht darum, die Grenzen verantwortbarer Solidarität deutlich zu machen, und da ist diese Abstimmung die einzige Gelegenheit. [. . .]
WOLFGANG WIEMERS, Grünenmitglied, Münster
Anstatt die Skepsis und den Widerstand zu artikulieren, sind die Grünen zurzeit das „Schmiermittel“ zum Einfangen auch der letztmöglichen Zweifler: einem, der mit viel Bauchschmerzen die „Militärmittel“ bewilligt, folgt der verantwortungsvolle Gewaltgegner eher als dem Hurra-Militaristen. Schröder gibt sich staatsmännisch, und die Grünen mit Fischer und Claudia Roth fangen die Moralisten ein. Im Ergebnis wird der Startschuss für große sinnlose Opfer gegeben. Die weltweite Spannung steigt immens.
[. . .] Oppositionelle Grüne sind zur Zeit gefragt, nicht kritische Krieger im Kriegskabinett! WOLFGANG LINSENHOFF, Berlin
An den Bundesvorsitzenden der SPD, Herrn Gerhard Schröder.
Es gibt bislang nicht einen Beweis, den die US-Regierung dafür hätte vorlegen können, dass Bin Laden, seine al-Qaida oder Afghanistan direkt an den Angriffen vom 11. September beteiligt wären. [. . .]
Die amerikanische Regierung benutzt die Angriffe als Vorwand, um einen Krieg gegen die afghanische Bevölkerung zu führen, der seit langem geplant war, um in Afghanistan eine USA-freundliche Regierung zu etablieren [. . .]. Nach meiner Überzeugung verletzten Sie als Bundeskanzler Ihren Amtseid und die Verfassung, wenn Sie – der im sicheren und luxuriösen Ambiente sein Machtgeschäft betreibt – Söhne, Ehemänner und Väter in einen Krieg treiben, der mit uns nicht das Mindeste zu tun hat und der ganz sicher kein Verteidigungskrieg ist. Das mag nach den Buchstaben des Gesetzes nicht anklagbar sein – ethisch verwerflich ist es in jedem Fall. Die Argumente, die Sie oder Ihr Außenminister dafür vortragen, sind ausschließlich solche der diplomatischen Machtspiele.
Ich kann einer Partei nicht länger angehören, deren Vorsitzender Sie sind und deren Abgeordnete Sie in dieser Politik unterstützen. Es ist ungeheuerlich, dass ausgerechnet eine rot-grüne Regierung sich zu einer solchen Politik hinreißen lässt. [. . .]
BERND HAMM, Korlingen
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