Reaktionen auf Gäfgen-Urteil: Ja schon, aber ..
Magnus Gäfgen bekommt 3000 Euro Schmerzensgeld. Der SPD-Politiker Wiefelspütz verteidigt das Urteil, aus der CDU und der Polizei hingegen kommt Kritik.
BERLIN dpa/dapd/taz | Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat mit Unverständnis auf das Urteil reagiert, wonach der verurteilte Kindesmörder Magnus Gäfgen Schmerzensgeld wegen Folterandrohungen im Polizeiverhör bekommt. "Das Urteil lässt die eigentliche ungeheuerliche Tat - die Ermordung des Kindes - in den Hintergrund treten", sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Er betonte aber, dass Folterandrohungen und Folter keine Mittel sein dürften, um mutmaßliche Täter zu Geständnissen zu bringen.
Etwas differenzierter äußerte sich die konkurrierende Gewerkschaft der Polizei. Das zugeteilte Schmerzensgeld für Gäfgen sei zwar "emotional nur sehr schwer erträglich", meinte GdP-Chef Bernhard Witthaut. "Diese dicke Kröte müsse jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit geschluckt werden." Allerdings dürfe das Urteil nicht zur Folge haben, dass die Polizei bei Vernehmungen nicht mehr "intensiv nachfragen" könnte.
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, verteidigte das Urteil: "Wenn das Gericht die Androhung der Folter als erwiesen ansieht, ist das Urteil in Ordnung", sagte er dem Tagesspiegel. "Falls die Androhung von Folter in Deutschland zulässig wäre, hätten wir keinen Rechtsstaat."
Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach erklärte hingegen, er habe für die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt kein Verständnis. Der betroffene Polizist habe geglaubt, dies sei die letzte Chance, das Leben des entführten Jakob von Metzler zu retten. "Das war eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr. Die Gefahr wurde von dem Täter selbst heraufbeschworen. Dass er dafür noch Schmerzensgeld bekommt, ist für mich nicht verständlich", sagte Bosbach dem Sender n-tv.
Veit Schiemann vom Opferverband Weißer Ring sagte der Nachrichtenagentur dapd, bei allem Respekt vor den Regeln eines modernen Rechtsstaates dürfe nicht übersehen werden, dass der Begriff "Todesangst", auf den sich Gäfgen berufen habe, viel stärker mit dem ermordeten Kind zu tun haben sollte.
Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer begrüßte das Urteil. Es sei ein "Signal für die Menschenrechte". Der Vertreter Hessens sprach von einem "sehr ausgewogenen" Urteil. Beide Seiten beraten noch, ob sie Berufung einlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung