■ Read.me: Politkunst = Kunst?
Pünktlich zur Biennale in Venedig erschien die zweite Nummer des österreichischen Monatsmagazins springer. Thema diesmal: natürlich die Beteiligung der Österreicher, ihr digitaler Pavillon. Computer, Kunst und digitale Revolution standen schon in der ersten Nummer des forschen, vom Unterrichtsministerium gesponserten springer zur Debatte.
Beiträge zur neuen Kommunikation umkreisen die jüngere Medienkunstgeschichte als immerwährende Suche nach „virtuellen“ und alternativen Räumen – so die Poster Gallery in London („Die Leute dort reden miteinander und tun wenig“), Hakim Beys „Temporäre Autonome Zone“ (bezeichnend „taz“ abgekürzt) und die Kunstzeitschriften selbst, von denen springer nicht nur die neueste ist, sondern ständiges Dokument einer Kunst bleiben will, die sich den Fragen nach Kommunikation, politischer Wirkung und Haltung, nationaler und ihrer eigenen gesellschaftlichen Stellung und Funktion widmet. springer ist eine Spätform aus den Tagen, als die Linke die scheinbar noch unpolitische Kultur entdeckte und sie nach Gut und Böse zu sortieren begann. Die neuen Medien kommen pünktlich, um dieselbe Debatte erneut zu besetzen: Ästhetik und Kommunikation, HipHop, Comic und „Underground“: Anders als etwa das Berliner Organ a.n.y.p. steht bei springer nicht die Wesentlichkeit der Künste für eine politische Diskussion im Vordergrund, sondern das Dokumentarische an ihnen: Architekturdebatten 1931, Anti-Posthistoire-Diskussionen in den USA, Einstürzende Neubauten auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände – Dokumente eher als Journalismus, graphische Oberflächen lieber als inhaltliche Eingriffe; unter den Schriften zur politischen Kunst ist springer die derzeit lesbarste, unprätentiöseste, ein Magazin, das mit politisch ambitionierten oder wenigstens reflektierten Kunstentwicklungen auch Zugang zu solchem Publikum erhält, das von Ideologiedebatten und durch Politik überlagerte „Kunst“ die Nase voll hat.Arnd Wesemann
„springer“ erscheint im Springer Verlag, Wien. Einzelhefte kosten 16 Mark. Bestellungen unter P.O. Box 89, A-1201 Wien
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