: Razzia bei Rockern
ZUHÄLTEREI Beamte durchsuchen Bordelle und „Lovemobile“ in Walsrohe. Das Rotlicht-Milieu ist dort in Hells Angels-Hand, die Polizei ermittelt wegen Menschenhandels
In seinem „Lagebild Organisierte Kriminalität“ warnt das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen vor Rockergruppen.
■ Die begangenen Straftaten seien sehr oft den typischen Deliktsfeldern der Organisierten Kriminalität zuzuordnen.
■ Neben den Gewaltdelikten spielen der Menschen-, Waffen und Betäubungsmittelhandel eine wichtige Rolle, so das LKA.
■ Besorgniserregend seien die Bestrebungen, sich in Niedersachsen flächendeckend auszubreiten.
VON CHRISTIAN JAKOB
Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Verden haben 140 Polizeibeamte am Dienstagabend zeitgleich sieben Bordelle, drei Wohnungen, drei Geschäftsräume und zahlreiche „Lovemobile“ im Bereich Walsrode durchsucht. Die Ermittlungsgruppe „Ein Prozent“ des Landeskriminalamtes Niedersachsen führt gegen neun Beschuldigte aus der Rockerszene ein Verfahren wegen des Verdachts des Menschenhandels und der Insolvenzverschleppung. Es wurden Dokumente, Computer, Bargeld, Edelmetall und ein Pkw sichergestellt.
Das Bordellgeschäft in der Region ist fest in der Hand der Hells Angels-Größe Wolfgang Heer, Schatzmeister des Rockerclubs. Der hat mit Einkünften aus der Zuhälterei eine ganze Reihe an Firmen aufgebaut, von denen viele in Walsrode ansässig sind, darunter eine so genannte Sicherheitsfirma.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden sagte, es bestehe der Verdacht, dass in den Bordellen Frauen unter 21 Jahren beschäftigt sind – das ist strafbar.
Acht der insgesamt neun Beschuldigten wurden vor Ort angetroffen und vernommen. „Wir haben mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass noch während der laufenden Durchsuchung der Chef der Hells Angels Hannover, Frank Hanebuth, vor Ort erschienen ist,“ sagte ein Polizeisprecher.
Hanebuth und Heer teilen sich unter anderem eine Sicherheitsfirma, und gelten als führende Köpfe der Zuhälterwirtschaft in Ostniedersachsen. Hanebuth kontrolliert das Steintorviertel in Hannover, Heer weite Teile des ländlichen Raums im Dreieck Bremen, Hamburg, Hannover.
Kürzlich hat in Walsrode ein Chapter des Rockerclubs Red Devils eröffnet. Die sich „Outlaws“ nennenden Red Devils sind mit den Hells Angels verbandelt. In Walsrode bezogen sie ein Clubhaus in einem ehemaligen Bordell von Heer. Viele Rocker arbeiten als so genannte Wirtschafter oder Türsteher in Bordellen.
Die Ermittlungsgruppe „Ein Prozent“ beschäftigt sich seit Jahren mit der Verstrickung von Rockerclubs und Organisierter Kriminalität. Ihr Name geht zurück auf einen historischen Vorfall in den USA: Nach Unruhen bei einem Motorradfahrertreffen behaupteten die Motorradfahrer, dass nur ein Prozent von ihnen gewalttätig sei. Schnell kam es unter den „Outlaw Motorcycle Clubs“ in Mode, sich als „Ein Prozenter“ zu bezeichnen.
In Walsrode war heftig darüber debattiert worden, ob von der Stadt geförderte Vereine wie der private Stadtmarketingverein Geschäft mit Hells Angels-Firmen machen dürfen. Der Verbotsantrag eines grünen Ratsherrn fand bislang jedoch keine Mehrheit.