: Raumstation in den Sternen
Bleibt Columbus zu Hause? Europa kann 3,3 Milliarden Mark für Weltraumlabor und internationale Forschungsstation nicht zusammenbringen ■ Von Anatol Johansen
Nicht mehr der Sirius, sondern die große internationale Raumstation wird Ende dieses Jahrzehnts der hellste Stern am Nachthimmel sein, prophezeite vor kurzem der Raumstationsdirektor der Europäischen Weltraumorganisaton ESA, Jörg Feustel-Büechel. Fraglich sei jedoch, ob auch Europa auf diesem künstlichen Stern vertreten sein werde. Ob die ESA sich das Projekt überhaupt leisten kann, wollen die europäischen Wissenschaftsminister von heute bis zum 20. Oktober während einer Konferenz im französischen Toulouse klären.
Der erste Frachtflug für die geplante 120 Meter lange und mehr als 400 Tonnen schwere internationale Station ISS (International Space Station) soll im November 1997 mit einer russischen Proton- Rakete erfolgen, der 44. und letzte im Juni des Jahres 2002 mit einem amerikanischen Raumtransporter. Während der Aufbau der von Amerikanern, Russen, Japanern, Kanadiern und Europäern in 400 Kilometer Höhe geplanten Weltraumbasis nun endgültig festgelegt wurde, ist das Projekt selbst wegen seiner hohen Kosten noch immer umstritten. Die Station kostet die beteiligten Nationen rund 50 Milliarden Dollar. Das bemannte Columbus-Weltraumlabor COF (Columbus Orbiting Facility), der europäische Bauteil für die geplante große internationale Raumstation, ist bisher jedenfalls noch nicht gesichert. Die deutsche Industrie hatte zwar schon vor Jahren von der ESA den Hauptauftrag für den Bau dieser ursprünglich etwa achtzehn Meter langen Weltraumkabine erhalten. Immer neue Kürzungen haben inzwischen dazu geführt, daß COF nunmehr nur noch gut sechs Meter mißt. Dennoch können die vierzehn Mitgliedsstaaten der ESA die rund 3,3 Milliarden Mark, die COF bis zum Jahre 2000 kosten soll, immer noch nicht zusammenbringen.
Eine Milliarde pro Jahr für Weltall-Bürokratie
Die deutsche Raumfahrtindustrie sieht unterdessen mit Besorgnis auf das Treffen in Toulouse. Sie hat schon früher einen Tiefschlag nach dem anderen wegstecken müssen. Milliardenaufträge sind weggebrochen: Etwa die Konstruktion eines großen, frei fliegenden Raumlabors, das die ESA zunächst bestellt hatte, dann aber nicht bezahlen konnte. Das Projekt für den Bau des europäischen Raumtransporters Hermes, an dem Deutschland maßgeblich beteiligt war, mußte aus Kostengründen ebenfalls eingestellt werden.
Auch vom bescheidenen nationalen deutschen Raumfahrtprogramm ist keine Abhilfe zu erwarten:
Statt der ursprünglich vorgesehenen 2,2 Milliarden Mark, die in der langfristigen Planung als jährliches Raumfahrtbudget im Bundeshaushalt vorgesehen waren, blieben nur noch 1,4 Milliarden pro Jahr übrig. Davon geht mit 1,07 Milliarden Mark jährlich ein unverhältnismäßig großer Teil als Beitrag an die ESA.
Diese negative Entwicklung hat dazu geführt, daß die deutschen Raumfahrer heute schon ums Überleben kämpfen. Von 7.000 Mitarbeitern im Jahre 1990 schrumpfte die Branche bis 1994 auf 5.000 Beschäftigte. Tendenz: weiter fallend.
Auch in Bremen, wo man bei der heute zur Daimler-Benz Aerospace (Dasa) gehörenden Erno vor 15 Jahren das Raumlabor Spacelab fertigte, droht das Ende. „Wenn das Columbus-Modul COF nicht kommt, ist Bremen platt“, heißt es. Mehrere hundert Spezialisten befürchten, daß ihre Zeitverträge nicht mehr verlängert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen