: Rauchen ein bisschen verboten
Heute will das Kabinett den Schutz gegen den Qualm beschließen. Aber Bund und Länder handeln skrupulös
BERLIN taz ■ Niemand soll sagen können, er sei nicht gefragt worden. Zu ihrem Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz hat die Bundesregierung über 60 Verbände um Stellungnahme gebeten. Darunter sind nicht nur Gewerkschaften, Industrie- und Ärztevereinigungen. Auch den Deutschen Hängegleiterverband baten Gesundheits- und Verbraucherschutzministerium um seine Expertise – die Fallschirmsportler und die Ballonfahrer durften auch nicht fehlen.
Die Episode zeigt, wie die Regierungen von Bund und Ländern beim Nichtraucherschutz vorgehen: Bloß keinen Einwand übersehen, nur keinen Fehler machen. Immerhin: Heute tut der Bund einen weiteren Schritt. Sein „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens“ sieht vor, das Rauchen in Bundeseinrichtungen zu untersagen. Auch in Taxen, Bussen, Flugzeugen, Fähren und Zügen soll ein Qualmverbot herrschen. In Gebäuden und Verkehrsmitteln dürfen allerdings „gesonderte“ Raucherräume eingerichtet werden, wenn insgesamt eine „ausreichende Anzahl“ von Räumen zur Verfügung steht. Sprich: Die Bahn könnte Raucherbereiche in Zügen und Bahnhöfen behalten. Flughäfen werden dagegen lieber gar nicht erfasst. Ländersache, meint die Bundesregierung.
Das Bundesgesetz sieht auch eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung vor. Darum „bitten“ die Gesundheitsminister der Länder den Bund sogar. Die Länder sehen sich zwar in der Lage, über das Gaststättenrecht das Rauchen zu verbieten. Jedoch kann nur der Bund über den Arbeitsschutz den Wirten untersagen, Kellner und Kellnerinnen in die Raucherräume zu schicken. Und Raucherräume soll es geben dürfen.
Es kommt noch absurder: Wenn nun der Bund die Arbeitsstättenverordnung richtig verschärft, also den Wirten vorschreibt, ihre Beschäftigten vor dem Qualm zu schützen, dann wären die Gaststätten rauchfrei, ohne dass es irgendein Landesgesetz bräuchte. Diesen Schritt wagt jedoch die Bundesregierung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht: Man dürfe nicht übers Arbeitsrecht in die Rechte der Gäste eingreifen. Also soll jeder ein bisschen vorwärts tippeln.
Laut dem Gesetzentwurf des Bundes soll in die Arbeitsstättenverordnung ein Satz eingefügt werden: „So weit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.“ Neu an der Ergänzung wäre der Begriff „Rauchverbot“. Bisher ist in der Arbeitsstättenverordnung nur die Rede von „Maßnahmen“ zum Schutz vor dem Rauch. So blieb offen, ob ein Arbeitgeber das Rauchen verbietet oder nur Belüftungsanlagen kauft.
Der SPD-Rauchverbieter Lothar Binding sagt, man merke an dem komplizierten Abstimmungsprozess, „wie schwierig es wird, wenn sich der Bund seiner Zuständigkeit entzieht“. Viel einfacher wäre es, Rauchen am Arbeitsplatz und damit auch in Gaststätten komplett zu untersagen. Binding: „Wenn die Länder keine einheitliche Regelung hinbekommen, werden wir uns an den Arbeitsschutz halten.“
GEORG LÖWISCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen