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Rassistische RandaleMügeln-Zeuginnen mit Amnesie

Im Prozess um den rassistischen Mob im sächsischen Mügeln leiden Zeuginnen überraschend an Gedächtnisschwund.

Mitarbeiter der Pizzeria Picobello werden zu den Ereignissen befragt Bild: ap

BERLIN taz Wegen des rassistischen Aufruhrs im sächsischen Mügeln wird seit Montag einem weiteren Mann der Prozess gemacht. Dem 22-Jährigen warf die Staatsanwaltschaft vor dem Amtsgericht Oschatz Volksverhetzung vor. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin musste die Verhandlung am Montag unterbrochen werden: Zwei Zeuginnen, die den Angeklagten bei der Polizei noch belastet hatten, konnten sich überraschenderweise an nichts mehr erinnern.

Die Ereignisse in der Nacht zum 19. August hatten über die Grenzen Sachsens und auch Deutschlands hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Bei einem Volksfest in der Kleinstadt kam es zu einer Prügelei. Verletzt wurden bei einem Festzelt Deutsche und indische Einwanderer. Später versammelte sich eine Menschenmenge vor einer Pizzeria, die von einem Inder betrieben wird und in die er sich mit Landsleuten geflüchtet hatte. Zu der Menge vor dem Lokal strömten immer mehr Leute, ein Polizist sprach im Dezember vor Gericht von 80 Menschen. Es wurden rassistische Parolen gerufen, einige versuchten, in die Pizzeria einzudringen. Zwei Polizisten stellten sich der Menge in den Weg und verhinderten Schlimmeres, bis Verstärkung eintraf.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat sich für ein getrenntes Vorgehen entschieden: Einmal untersucht sie die Gewalttaten vor dem Festzelt, hier wird noch ermittelt. Der zweite Komplex ist das Vorgehen der Menschenmenge. Hier blieben von einem mindestens 50-köpfigen Mob nur vier Männer übrig, die angeklagt wurden. Ein 18-Jähriger musste 600 Euro für einen guten Zweck stiften. Gegen einen 35-Jährigen wurde ein Strafbefehl von 1.500 Euro verhängt. Der seit Montag vor Gericht stehende Mann hatte einen Strafbefehl von 2.625 Euro erhalten, diesen jedoch nicht akzeptiert. Deshalb ist es nun zur Verhandlung gekommen.

Wie die Gerichtssprecherin mitteilte, ließ er über seine Verteidigerin erklären, er sei zur Tatzeit betrunken gewesen. Er könne sich nicht daran erinnern, "Bambule, Randale, Rechtsradikale" gerufen zu haben, schließe dies aber auch nicht aus.

Die Zeuginnen, eine 24 und eine 26 Jahre alte Frau, hätten im Sommer bei der Polizei noch zu Ungunsten des Angeklagten ausgesagt, hieß es. Nun hätten sie sich nicht einmal daran erinnert, was sie der Polizei gesagt haben. Sie seien zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht bei der Pizzeria, sondern bei einem Bierwagen gewesen. Deshalb will der Richter nun die Vernehmungsbeamten als Zeugen laden.

Das Verhalten der Zeugen ist auch insofern bemerkenswert, als Politiker damals an den Mut der Mügelner appelliert hatten, der Polizei Hinweise zu geben.

Ein 23-Jähriger wurde Anfang Dezember zu acht Monaten Gefängnis wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung verurteilt. Damals traten Einwohner der Stadt als Zeugen auf. Er hatte nach Überzeugung des Richters an der Spitze des Mobs gestanden, als er eine Türscheibe der Pizzeria einschlug. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger Berufung eingelegt.

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