Rassismus im spanischen Fußball: Wer darf sich wie freuen?

Fans von Atlético Madrid verunglimpfen beim Derby den Real-Profi Vinícius Júnior rassistisch. Auslöser ist ein Jubeltänzchen. Die Liga ermittelt.

Jubelpose von Vinicius Junior

Vinícius Júnior feiert gerne ausgelassen die Tore von Real Madrid Foto: Susana Vera/reuters

Als einzige Mannschaft der fünf großen Ligen hat Real Madrid bisher alle Saisonspiele gewonnen, ob in Meisterschaft oder Europapokal. Der königliche Fußball ist pragmatisch: eine solide Defensive, veredelt von schnellen, spielfreudigen Stürmern wie dem Brasilianer Vinícius Júnior. Der 22-Jährige hat es gern beschwingt.

Er ist damit zum Gegenstand von Debatten und Opfer von Rassismus geworden. Vor dem Derby am Sonntagabend bei Atlético Madrid (2:1) kam es außerhalb des Stadions zu massiven Verunglimpfungen. Videos zeigen, wie Hunderte Atlético-Fans sangen: „Du bist ein Affe, Vinícius, du bist ein Affe.“ Die Liga ermittelt, obwohl sie das normalerweise nur bei Vorfällen innerhalb des Stadions tut. Dort folgte während des Spiels ein Feuerzeugregen, als Vinícius mit Landsmann Rodrygo dessen 1:0 mit einem Tänzchen feierte. Einem ganz bewussten Tänzchen. Denn ein solches steht auch am Beginn der Polemik.

Bei Reals 4:1-Sieg vorigen Samstag gegen Mallorca echauffierten sich die Gäste über die vermeintlich provokante Form des Jubels. Daraufhin wurde Atléticos Kapitän Koke unter der Woche gefragt, was bei einem ähnlichen Tanz im Derby passieren würde. „Dann gibt’s bestimmt Ärger, normal“, lautete seine Antwort. Der Boulevard hatte sein Thema für die Derbywoche.

Solche Einlagen, befand dann der Präsident der spanischen Fußballberatervereinigung, Pedro Bravo, in der populären TV-Show „El Chiringuito“, gehörten ins Sambodrom von Rio de Janeiro. Auf den Fußballplätzen solle Vinícius aufhören, „sich zum Affen zu machen“. Auch wenn die Redewendung im Spanischen (ähnlich wie im Deutschen) allgemein gebraucht werden kann, wird sie im Zusammenhang mit einem dunkelhäutigen Spieler schwerlich so wahrgenommen – sondern, wie sich vor dem Stadion zeigen sollte, als rassistische Schmähung.

„Ich werde nicht aufhören“

Opfer von solchen sei er ständig, berichtete Vinícius als Reaktion auf die Sendung in einem Twittervideo. „Es heißt, dass Glück stört. Das Glück eines siegreichen brasilianischen Schwarzen in Europa stört noch viel mehr.“ Der Stürmer erinnerte an andere Spieler, die nach Toren tanzen, und erklärte: „Akzeptiert es, Rassisten: ich werde nicht aufhören.“ Von Neymar, dem Jahrhundertfußballer Pelé und weiteren Kollegen erhielt er begeisterten Zuspruch. #bailavini, „tanz, Vini“, wurde zum Trendhashtag. Anderswo regierte Konfusion. Real Madrid verschickte ein Kommuniqué mit der Ankündigung, seine Spieler gegebenenfalls rechtlich vor rassistischen Beleidigungen zu schützen. Trainer Carlo Ancelotti erklärte allerdings: „In Spanien sehe ich keinen Rassismus.“

Derweil versuchte der brasilianische Atlético-Profi Matheus Cunha die Quadratur des Kreises. Einerseits legte er mit Vinícius vor Anpfiff im Kabinengang ein Solidaritätstänzchen hin. Andererseits, sagte er, habe er Vinícius erklärt, dass es „keinem Publikum gefällt, wenn in seinem Zuhause getanzt wird“. Vinícius ist kein Spieler, der jenseits der eigenen Fans gut ankommen würde. In Dribbeltalent wie aufreizendem Habitus gleicht er seinem Landsmann Neymar. Er kabbelt sich mit Gegnern und Schiedsrichtern, er trickst mit dem Ball bis hin zur Demütigung, er geht dramatisch und bisweilen grundlos zu Boden.

Wo hört legitime Kritik auf, wo fängt Rassismus an? Warum soll er nicht beim Torjubel tanzen dürfen? Eindeutig sind nur die Beleidigungen der Atlético-Ultras und seit Jahrzehnten bekannt ihre rechtsradikalen Strömungen – ohne dass der Verein dagegen etwas unternimmt.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez, bekennender Atlético-Fan, hat sich am Rand der UN-Vollversammlung in New York gegenüber „Politico“ zum aktuellen Vorfall geäußert: „Als Fan von Atlético Madrid hat mich das sehr traurig gemacht. Ich erwarte eine starke Botschaft der Klubs gegen solches Verhalten. Und das werde ich von meinem Verein verlangen.“

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