piwik no script img

Rassismus im FußballLehrstunde für Fußballfans

Die Anhänger von Türkiyemspor wollen beim Spiel gegen Chemitz ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Im Hinspiel waren sie als "Juden" beschimpft worden.

Wenn's so einfach wäre Bild: AP

Die am heutigen Mittwoch auf dem Regionalliga-Spielplan stehende Partie gegen den Chemnitzer FC weckt beim Gastgeber Türkiyemspor Berlin schlimme Erinnerungen. Vor fast acht Monaten, beim Hinspiel in Sachsen, wurden die Spieler des Kreuzberger Klubs von einer gut fünfzigköpfigen rechtsradikalen Gruppe mit Sprechchören wie "Ausländer raus", "Wir besuchen euch in Buchenwald" und "Juden Berlin" traktiert.

Der Förderverein von Türkiyemspor ruft nun dazu auf, möglichst zahlreich in den Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg zu kommen - Spielbeginn ist um 18.30 Uhr -, um dort ein Zeichen gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Genau das würde der Deutsche Fußball Bund (DFB) ja auch immer einfordern, sagt Cetin Özaydin, der Vorsitzende des Fördervereins. Er kündigte an: "Wir werden vierzig Plakate mit dem berühmten Bild von Albert Einstein in die Höhe recken, auf dem er die Zunge herausstreckt."

Mit dem Konterfei des jüdischen Wissenschaftlers wolle man unterstreichen, dass für Türkiyemspor "Jude" kein Schimpfwort sei. Die geplante Aktion sei eine "Demonstration mit Eintrittskarte", so Özaydin. Dabei steht auch sportlich einiges auf dem Spiel. Sowohl die Berliner als auch die Gäste bangen um den Klassenerhalt in der Regionalliga.

Aus Sachsen werden bis zu 150 Fans erwartet. Im Vorfeld der Partie, die bereits zweimal wegen schlechter Platzverhältnisse abgesagt werden musste, wurde in Chemnitzer Internet-Fanforen über einen Boykott der Auswärtsfahrt diskutiert. Einige äußerten die Befürchtung, "Chaoten" könnten dem Verein weiteren Schaden zufügen. Die Angst vor Teilen der eigenen Anhängerschaft ist groß.

Auch die Fanbeauftragte des Clubs, Peggy Schellenberger, teilte den Fans mit, es sei "zu viel passiert". Sie wolle zwar niemandem von der Reise abraten, sie aber auch anders als sonst keinem empfehlen. Ihre Ankündigung, die Karten für den Gästeblock nur in individuell begrenzter Stückzahl und ausschließlich in Chemnitz zu verkaufen, begründete sie mit den Worten: "Wir können im Vorfeld nicht nichts machen." Das wirkt eher getrieben als selbstinitiativ.

Schon vor einem halben Jahr hätte man dem Chemnitzer FC einen mutigeren Umgang mit den organisierten rechtsextremen Sprechchören in seinem Stadion gewünscht. Erst drei Tage danach distanzierte sich der Verein in einer Erklärung von den bereits republikweit bekannten Geschehnissen. Und gegenüber Türkiyemspor habe der CFC darüber bis heute nie ein offizielles Wort des Bedauerns geäußert, sagt Cetin Özaydin.

Bleibt zu hoffen, dass es beim Rückspiel ruhig bleibt. Als Warnung kann auch in diesem Fall an Einstein erinnert werden. Von ihm ist der Ausspruch verbürgt: "Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit - aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!