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Rasse statt Klasse auf Jamaika

■ Die Wahlen am Dienstag markierten das Ende einer politischen Ära

Kingston (IPS/wps/taz) – Das Ergebnis der Wahlen auf Jamaika am Dienstag bedeutet das Ende zweier dominierender politischer Dynastien. Die regierende People's National Party (PNP) hat 53 der 60 Parlamentssitze gewonnen, die oppositionelle Jamaican Labor Party (JLP) nur sieben. Nach dem Ergebnis erklärte der 62jährige JLP- Führer Edward Seaga, er denke nach nunmehr vier Wahlniederlagen an Rücktritt.

Seit der Unabhängigkeit 1962 hatte die Rivalität zwischen Seaga und dem 1992 vom Amt des Premierministers abgetretenen langjährigen PNP-Führer Michael Manley das politische Leben der südlich von Kuba gelegenen Karibikinsel bestimmt und im Zeichen des Kalten Krieges gehalten. Manley, Sohn des PNP-Gründers Norman Manley, entstammte der Gewerkschaftsbewegung, proklamierte während seiner Amtszeit in den 70er Jahren einen „demokratischen Sozialismus“ und suchte die Annäherung an Kuba, wofür er entsprechend heftige Kritik von den USA erfuhr. 1980 verlor er die Wahlen an den US-Freund Seaga, der 1983 tatkräftig die US-Invasion in Grenada unterstützte. Bei den Wahlen 1989 siegte wiederum Manley und kehrte diesmal mit einem weniger radikalen Programm an die Macht zurück.

Ende März 1992 gab Manley sein Amt aus gesundheitlichen Gründen auf. Sein Nachfolger und jetziger Wahlsieger war der jetzt 57jährige Percival James Patterson, der erst 1991 anläßlich eines Zollskandals als Finanzminister zurücktreten mußte. Mit ihm ist die PNP aus dem Schatten der Manley-Familie herausgetreten. Nun könnte auch für die JLP eine weniger von der Person des Parteiführers geprägte Zeit beginnen.

„Mit Manleys Abtritt und dem Ende Seagas sehen wir das Ende einer Ära“, sagt ein politischer Beobachter. „Patterson mag 57 sein, aber er vertritt eine neue Generation.“ Wie das Ende der Seaga- Manley-Konfrontation den jamaikanischen Ideologiestreit veränderte, machte schon der Wahlkampf deutlich. Zum ersten Mal seit 1944 kandidierte kein Vertreter der, so Regierungschef Patterson, „hellhäutigen“ Manley-Familie zum Amt des Premierministers. Patterson richtete den Wahlkampf der PNP nicht auf soziale Themen aus, sondern setzte einen schwarzen Nationalismus gegen den in den USA geborenen „weißen“ Oppositionsführer Seaga. Er unterstrich dies mit patriotischer Reggae-Musik, mit Liedern wie „To Be Young, Gifted And Black“ („Jung, begabt und schwarz“) oder „My Leader Born Ya“ („Mein Führer ist hier geboren“). Seagas PLP warf daraufhin der Regierung Rassismus und ausländerfeindliche Rhetorik vor.

Die Wahl war, wie meistens in Jamaika, von Gewalt geprägt, wenn auch nicht so stark wie 1980, als Hunderte von Menschen in Straßenschlachten starben. Während der dreiwöchigen Wahlkampagne gab es in der Hauptstadt Kingston und in St. Andrews einige gewalttätige Ausbrüche; Banken und Geschäfte in der Hauptstadt kündigten an, daß sie am Wahltag ihre Pforten aus Angst vor randalierenden Menschen schließen würden. Tatsächlich verwüstete eine gewalttätige Gruppe ein Geschäft und beschoß Polizeistreifen, und am Dienstag nachmittag waren Kingstons Straßen ausgestorben. Insgesamt sollen fünf Menschen verwundet worden sein und eine Frau getötet.

Es liegen auch Beschwerden über Wahlmanipulation vor. Edward Seaga wurde von einer aufgebrachten Menge in einem Wahllokal in der „Marverley All Age School“ in St. Andrews festgehalten. Nur mit massivem Polizeiaufgebot konnte er befreit werden. Aus einem anderen Wahllokal in der St.-John-Baptist-Schule in St.Andrews wurden zwei Stunden nach Öffnung des Wahllokales vier Wahlurnen entfernt. Wahlleiter sagten aus, daß die Urnen von Männern gestohlen wurden, auf deren Jacken der Schriftzug „Polizei“ prangte. Und in der südlichen Gemeinde im Wahlbezirk Zentral- Kingston konnte niemand wählen, weil die Urnen gestohlen worden waren. In anderen Geschäftsstellen kehrten die Wahlleiter nicht zur Arbeit zurück, nachdem Schlägertrupps offene Abstimmung forderten, und in einem Wahllokal wurde ein Angestellter mit Tinte bespritzt. Im Westen von St. Andrews wurden Wähler nach der bevorzugten Partei befragt und, wenn die Antwort nicht befriedigend ausfiel, ohne Abstimmungsmöglichkeit nach Hause geschickt.

Nach Bekanntgabe seines Wahlsieges versprach Patterson, aus Jamaika ein friedlicheres und produktiveres Land zu machen. Er strebe einen breiten Konsens von Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften an, sagte er, um eine Industrie zu entwickeln, „die marktorientiert, modern und konkurrenzfähig ist“. D.J.

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