: Raptus Gitarristici
■ Unbestrittene Heroen der posthendrixschen E-Gitarren-Kunst im März in Bremen
Vor ein paar Jahren auf der Bühne der Schauburg: John Lurie und die „Lounge Lizards“ spielten sich zum ersten Mal, 1983, in die Ohren des Bremer Publikums mit bisher unbekannten Klängen. Nach gut einer Stunde schlängelte sich ein rundbebrillter Mann mit wulstigen Lippen etwas unbeholfen durch den Vorhang. Er baute sich neben der Band auf, rückte seine rote E-Gitarre zurecht und hörte einen Augenblick lang zu. Plötzlich überkam es den Unbekannten. Er riß und zerrte an seinen Saiten, umklammerte, von ungeahnten Kräften beflügelt, sein Instrument, bis seine Knöchel rot anliefen, während aus den Lautsprecher-Boxen sägende und kreischende Laute sich zu infernalischem Krach vermengten. John Lurie und seine Mannen waren für's erste abgemeldet.
Der Mann mit der roten Gitarre hieß Arto Lindsay. Er rühmte sich, keinen vernünftigen Akkord auf der Gitarre zu beherrschen, und trat deshalb ständig mit Avantgarde-Gruppen auf. Sein Geschrabbel war universell einsetzbar. Brauchte eine Kombo einen Anti-Spieler, der gekonnt ungekonnt „unerwartete Kontrapunkte setzte“, Arto, der Saitenschreck, war zur Stelle. Das ging auch immer gut, denn Arto dillettierte gegen alles, was ihm vor die Ohren kam, schließlich war nichts davon aus seiner eigenen Feder. Dann machte Mister Lindsay den Schritt, den seine Kritiker noch heute den größten Fehler seines Lebens nennen, seine Gönner bekommen deswegen aber glänzende Augen. Arto Lindsay gründete seine eigene Band, die Ambitious Lovers. Funk-Klänge und südamerikanische Töne wehten auf einmal aus seiner roten Gitarre, selbst auf die eigene Stimme zu den selbst komponierten Stücken mochte der Rebell nicht verzichten. Was war geschehen? Wir wissen es nicht. Tatsache ist: Arto und seine Gruppe wird an der gleichen Stätte, an der sein Bremer Ruhm begann, zu hören und sehen sein. Am 6. März um 20 Uhr in der Schauburg.
Und noch einmal um Jahre zurück, 1969, als Gitarristen noch dazu da waren, Melodieträger ihrer Bands zu sein. Zu dieser Zeit dachte der Brite Robert Fripp, daß Gitarre spielen eher im tonal verqueren Sinne Zukunft hat. Fortan spielte er mit King Crimson, unterstützte improvisierend und immer gegen den Mainstream, Bowie, Gabriel und Eno. Mit der League Of Gentlemen entwarf er Gitarrenstücke ohne Anfang, Ende oder Höhepunkt, reine Kammermusik mit eingestreuten Klangkollagen. Am 27. März will er uns mit der League Of Crafty Guitarists erfeuen. Fripp mit weiteren elf Gitarristen im Modernes. Nix wie hin. Jürgen Francke
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