Rapper Die Antwoord auf Tour: 20 Jahre über Nacht
Das geheimnisumwitterte, weiße südafrikanische Raptrio Die Antwoord bewegt sich irgendwo zwischen Ultratrash und Genialität. Jetzt kommt das Trio über Deutschland.
Der Internethype des Jahres ist ein südafrikanisches Popphänomen, besteht aus drei Kapstädter Musikern und heißt Die Antwoord. Das ist Afrikaans und heißt auf Deutsch - wer hätte das gedacht - Die Antwort. Die Antwort auf was, wird der ausgemergelte, stets barhäuptige, mit selbstgestochenen Knasttätowierungen übersäte Rapper Ninja in einem Clip gefragt, und seine Erwiderung ist schlicht und allumfassend: "Fuck, everything!"
Ninja, der ausgemergelte Hohläugige mit der Vanilla-Ice-Frisur, und seine White-Trash-Freunde DJ Hi-Tek und die andere Sängerin Yo-Landi Vi$$er haben mit ihrem elektroiden Bastard aus Synthiesounds, Eurotrash-Melodien und Rap-Beats einen Nerv getroffen. Anfang des Jahres waren sie auch im eigenen Land noch vollkommen unbekannt, inzwischen ist es so gut wie unmöglich, mit den Dreien einen Interviewtermin zu bekommen.
Vielleicht liegt das aber auch daran, dass der Plattenmulti Universal, dem die vielen Clicks im Netz auch nicht entgangen sind, das Mysterium und Rätselraten um Die Antwoord noch bis zum Erscheinen ihres Debütalbums im Herbst aufrechterhalten will.
Denn die Ambivalenz zwischen Genialität und Ultratrash macht das Faszinosum dieses Trios aus. Und so kann der spekulative Diskurs über Authentizität und Satire, der sich um Die Antwoord entwickelt hat, den Absatz nur befördern.
Kochende Gerüchteküche
Sind Ninjas Tattoos echt? Lässt sich die mädchenhafte Yo-Landi Vi$$er tatsächlich ihre peroxydweißen Haare noch von Muttern einfärben oder doch von einem Vidal-Sassoon-Stylisten? Sind die drei wirklich zusammen in den ärmeren Vororten von Kapstadt aufgewachsen, in denen die weißen südafrikanischen Wendeverlierer leben? Oder basiert der ganze Hype auf einem genialen Mediencoup?
Die Online-Gerüchteküche kocht jedenfalls. Es wurde gar gemunkelt, Die Antwoord seien eine südafrikanische Version von Ali-G.-Burischer-Rap meets Stand-up-Comedy.
Klar ist nur: Anfang Januar explodierten die Youtube-Klicks plötzlich weltweit und Musikbegeisterte luden sich die krude Musik von Die Antwoord und ihre Zef-Side-Philosophie millionenfach herunter. "Vorher hat sich das niemand ansehen wollen. Dabei stand das alles schon über ein halbes Jahr im Netz", erzählte Ninja Mitte April am Telefon.
Da war die Gruppe gerade aus den USA zurück, wo sie einen Plattenvertrag mit Universal unterschrieben hatte. Klar, dass man sich um diesen Act riss, dem inzwischen internationale Vernetzer wie Diplo das Loblied sangen. Internationale Aufmerksamkeit, schön und gut, aber im eigenen Land sah es Mitte April noch ziemlich trüb aus: Die integrierte südafrikanische HipHop-Szene rümpfte die Nase, zu trashig, zu unamerikanisch sei das Ganze.
Während das weiße Südafrika sowieso nur seichte Rockmusik hört oder melancholischen Pop und die schwarzen Hipster in der Heimat lieber zu House tanzen oder Kwaito.
Doch dieses Zwischen-den-Stühlen-Sitzen kommt Die Antwoord gerade recht. "Wir werden hier auch als national embarrassment bezeichnet, als nationale Schande", so Ninja, und man hört ihm dabei durchaus den immer noch verwunderten Stolz über den eigenen Überraschungserfolg an.
Erfolgreicher Popmusik gelingt immer die Fusion verschiedener Strömungen. Bei Die Antwoord ist es trashiger Dance-Sound und Synthiepop in Kombination mit Ninjas Rap und Yo-Landis Gesang. In den frühen Videos war das Textmaterial ausschließlich in Afrikaans gesungen, was die Exotik der Gruppe nur noch stärker betonte. Inzwischen sind die meisten Texte zwar englisch, aber die Vokalisten rollen das "R" und die "E-s" nach wie vor auf typisch burische Art. Auch in den Texten wird fleißig Popmusik zitiert. Wenn Yo-Landi mit hoher Stimme "Beat Boy - hit that perrrrfect beat, boy!" singt, dann schwingt da nicht nur Bronski Beat mit, sondern der britische Synthiepop der 80er insgesamt.
"Ninja versucht schon lange im Musikgeschäft Fuß zu fassen, hat das aber bislang nie geschafft", erklärt Simone Harris, Chefredakteurin des größten südafrikanischen HipHop-Magazins Hype. "Deswegen betrachten viele Leute den momentanen Erfolg auch skeptisch. Aber die sind so echt, wie man nur sein kann."
Die Band selbst postuliert in einem neuen Videoclip inzwischen mit unverhohlenem Stolz: "We are an overnight success - 20 years in the making!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen