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AnalyseRaffzahn Zahnarzt

■ Seehofer ordnet an, Patienten nicht zu prellen. Zahnärzte klagen dagegen

Gesundheitsminister Horst Seehofer rät: Überhöhte Rechnungen von Zahnärzten sollten nicht mehr bezahlt, Verträge über zusätzliche Leistungen nie ohne Beratung bei der Krankenkasse unterschrieben werden. Welche Rechnung überhöht ist, muß der Patient selbst herausfinden. Anlaß für die Empfehlungen ist eine Erhebung der Krankenkassen. Von 11.400 überprüften Rechnungen für Zahnersatz waren 30 Prozent überzogen. Beim Geschäft um Krone, Stiftzahn und Brücke geht es um dreistellige Millionenbeträge.

Seit Anfang des Jahres zahlen die Kassen nur noch einen Festzuschuß zum Zahnersatz. Diese Regelung gebe Zahnärzten mehr Freiheit, und die sei mit Verantwortung verbunden, sagte Seehofer gestern. Bei den überhöhten Rechnungen habe eine nennenswerte Minderheit der Zahnärzte keinesfalls verantwortlich gehandelt.

Die Verantwortung über den eigenen Geldbeutel liegt vollständig beim Patienten – und das, obwohl zur Zeit auf dem Markt der Drittzähne noch mildernde Umstände herrschen: Zwar rechnen die Zahnärzte seit Jahresanfang die Kosten über Kronen, Brücken und Prothesen in privatrechtlichen Verträgen direkt mit den Patienten ab. Die Honorare für Standardleistungen aus dem Pflichtkatalog der Krankenkassen dürfen aber nur mit dem 1,7fachen Satz (im Osten: 1,86fachen) der Gebührenordnung abgerechnet werden. Ab Ende 1999 fallen auch diese Honorarbeschränkung, dann herrscht Zahn-Marktfreiheit. Die zweijährige Honorarbindung solle Zahnärzte und Patienten mit dem Instrument vertraut machen, sagte Seehofer. Die Patienten lernen im Moment, daß sie offensichtlich nicht mehr jedem Arzt ihrer Wahl vertrauen können. Und für den Patienten wird das in Zukunft eher schlimmer: Die Honorarbindung gilt sowieso nur noch bis Ende 1999. Danach können die Zahnärzte zum Beispiel für Metall-Keramik-Verblendungen die Honorare berechnen, die Seehofer jetzt per Aufsichtsanordnung unterbinden will – ohne Strafen für diejenigen anzukündigen, die trotzdem weiter falsch abrechnen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung stellt sich vor ihre Klientel. Die Zahnärzte berechneten nur den höheren Arbeitsaufwand bei der Behandlung mit Keramikkronen – und handelten keinesfalls rechtswidrig. Den Streit, ob die Arbeit für eine Keramikkrone unter den Festsatz des 1,7fachen Gebührensatzes fällt, tragen die Zahnärzte zum Sozialgericht nach Köln.

Patienten, die bereits zuviel gezahlt haben, gucken in die Röhre. Wer zum Dentisten geht, braucht das Bürgerliche Gesetzbuch, einen Überblick über die Honorarberechnungen – oder eine extreme Schmerzunempfindlichkeit, will er abwarten, bis die Krankenkasse den Kostenvoranschlag des Zahnarztes geprüft hat. Cornelia Fuchs

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