: Rätselhafte Rodomontaden voll von Tiefsinn
Raumschiff Enterprise ist immer dabei: Zwei Kölner CD-Labels buhlen um die Gunst des Kabarett- und Comedy-Publikums. Zampano zielt auf die unter 35 Jahren, das Rosenmontagskind WortArt auf die älteren Semester. Egal welches Alter, die Käufer sind Fans ■ Von Miriam Hoffmeyer
Lach isch? Ej, lach nisch! Sonst hol isch meinä Brüdä! (Richie)
Komiker sind fast immer auf Tournee. Zu Hause ist der Frohsinn bekanntlich im Rheinland. So ist es kein Zufall, daß die beiden deutschen CD-Labels für Kabarett und Comedy in Köln heimisch sind. WortArt ist sogar ein echtes Rosenmontagskind: Vor vier Jahren wurde unter diesem Namen die alternative „Stunksitzung“ auf CD gepreßt. Bald darauf klopften Richard Rogler und Lisa Fitz bei WortArt an. Inzwischen hat das Mini-Label immerhin vier feste Mitarbeiter, die pro Jahr sechs bis zwölf neue CDs herausbringen. Matthias Deutschmann bläst zum „Nachtangriff“, Dieter Nuhr nörgelt, Michael Quast serviert seine „Henkersmahlzeit“. Und der greise Hanns Dieter Hüsch trägt rätselhafte Rodomontaden vor, schwer von Tiefsinn und Konjunktiven.
Wie viele Eier gehören in einen Karamelpudding rein? Alles andere is doch ejal! (Horst Schroth)
Die Käufer sind Fans. Sie wollen am liebsten alles besitzen, was ihr Lieblingskabarettist jemals öffentlich gesagt hat. Endlos klatschendes Publikum stört sie ebensowenig wie alberne Lacher, denn sie wollen auch zu Hause die Live- Atmosphäre spüren. „Viele Programme kann man sich immer wieder anhören und findet jedes Mal noch was Neues drin“, meint WortArt-Geschäftsführer Alexander Stelkens. Einen Markt für Kabarett-CDs gab es seiner Ansicht nach schon immer. „Die Sache ist bisher nur falsch angefaßt worden. Da haben große Firmen viel Geld in eine einzige CD gesteckt. Viel mehr, als man da rausbekommen kann.“
Denn die Käuferschicht ist zwar treu, aber winzig. Im Durchschnitt verkaufen sich von den WortArt- CDs zwischen drei- und fünftausend Stück, bei unbekannteren Künstlern bleibt es schon mal bei tausend. Im Vergleich zum Musikmarkt sind das natürlich lachhafte Zahlen. Das WortArt-Büro verströmt freundliche WG-Atmosphäre. Werbung in größerem Umfang kann sich das Label nicht leisten, offensives Marketing würde die Kundschaft wahrscheinlich auch gar nicht goutieren. Statt dessen werden die CDs gezielt dort verkauft, wo sich die Zielgruppe aufhält: in Buchläden und natürlich in Theatern.
Ein Volk, in dem nicht regelmäßig acht Millionen den „Musikantenstadl“ anschauen, ist unregierbar. (Harald Schmidt)
Über die Grenze zwischen Kabarett und Comedy läßt sich so lange sinnieren wie über die zwischen dem Privaten und dem Politischen. Die Mehrzahl der WortArt-Künstler macht in den Programmen keine Anspielungen auf Tagespolitik und keine Witze über Kohl. Das ideologiefeste Traditionskabarett à la „Scheibenwischer“ ist ohnehin im Absterben begriffen. Statt dessen nehmen die Künstler private Alltagssituationen als Ausgangspunkt für Reflexionen über die Gesellschaft. Der Jurist Matthias Beltz schildert zum Beispiel die typische Anordnung im Gericht so: „Der Angeklagte sitzt immer links vom Publikum. Rechts dagegen das Gute, die Staatsanwaltschaft.“
Comedy-Künstler andererseits labern zwar nicht explizit über Politik, aber auch, da sowieso über alles und jedes. Einige von ihnen (allerdings eher eine Minderheit) liegen auch sprachlich und wortwitzmäßig auf dem Niveau von gutem Kabarett. Im Schnittpunkt der beiden Genres steht Harald Schmidt – der einzige Künstler, der sowohl bei WortArt als auch beim Comedy-Label Zampano CDs herausgebracht hat (die sich für WortArt- Verhältnisse grandios und für Zampano-Verhältnisse ziemlich schlecht verkauften). Harald Schmidt ist gesetzten Alters wie die meisten deutschen Kabarettisten, bringt aber auch sehr junge Leute zum Lachen. Damit überspringt er die magische Altersmarke von 35, die die Käuferschichten von WortArt und Zampano kategorisch scheidet. Gerade hier tritt die Grenze zwischen Kabarett und Comedy überraschend deutlich hervor.
In New York kannte ich schon alles aus dem Fernsehen. (Michael Mittermeier)
Komiker sind im Durchschnitt erheblich jünger als Kabarettisten und haben auch ein jüngeres Publikum. Darum verkaufen sie viel mehr CDs, denn junge Menschen sind kauffreudiger. Geschäftsergebnisse wie bei WortArt wären für Zampano, hinter dem der Branchenriese BMG Ariola steht, einfach nur katastrophal. Von der erfolgreichsten CD des Labels im letzten Jahr, Michael Mittermeiers „Zapped“, gingen rund 120.000 Stück weg. „Mittermeier ist ein tolles Produkt“, sagt Label-Manager Marcell Gödde und schlägt sich zerknirscht vor die Stirn. „Produkt! Jetzt red' ich auch schon diesen Industriescheiß.“
Gödde leitet eigentlich das Kölner Kindertheater Cocomico, spielt in der Punkband „Heiter bis wolkig“ und hat sich mit der Rolle als erfolgreicher Manager noch nicht so recht abgefunden. Schließlich gibt es „Zampano“ erst zwei Jahre. Das Label lebt vom anhaltenden Comedy-Boom, der nach Göddes Einschätzung vor allem durch Fernsehsendungen wie „Samstag Nacht“ entstand. „Inzwischen ist Comedy ja schon fast ein Schimpfwort geworden“, klagt er. „Wir wollen das mit qualitativ ordentlichen Sachen wieder geraderücken.“
Flipper ist unser bester Freund. (Hella von Sinnen)
Tatsächlich gibt es beträchtliche Qualitätsunterschiede im „Zampano“-Programm. Ein Tiefpunkt, technisch wie geistig, ist die CD „Elektro-Man entdeckt Amerika“ von Roberto Capitani, der übelsten Quäkstimme Nordrhein- Westfalens. Interessant ist daran allerdings die geradezu paradigmatische Wahl der Themen, nämlich: Fernsehserien der Kindheit, USA-Trip, Anrufbeantworter (in dieser Reihenfolge).
Dieselben Themen dominieren auch die CDs von Mittermeier und Hella von Sinnen, offenbar sind Lassie und New York das, was die unter 35jährigen am stärksten miteinander verbindet. „Ich hab' im Moment keine Produktion, in der nicht Raumschiff Enterprise vorkommt“, sagt Marcell Gödde. „Das hat unsere Generation geprägt.“ Die Fixierung von Comedy aufs Fernsehen ist manchmal schon ermüdend, von Kabarettisten wird das Medium dagegen zwar für Auftritte genutzt, aber seltsamerweise kaum reflektiert. Auch eine Generationsfrage?
Ich grüße Sie! Ist da die Backbäckerei? (Dr. Ben)
Besonders begnadete Komiker entwickeln Ideen des Fernsehens für ihre Arbeit weiter. Das Prinzip der versteckten Kamera steht hinter den Telefonaten von Dr. Ben mit arglosen Bäckern und Perückenherstellern. Mit derselben Strategie bringt Richie, der coole Kölner Türke, einen Taxifahrer zur Verzweiflung. In solchen unvorhersehbaren Szenen entsteht etwas wirklich Neues, die interaktive Comedy, lustiger als jeder eingelernte Monolog.
Die Architekten der Einheit haben übersehen, daß die Mauer eine tragende Wand in Berlin war. (Matthias Deutschmann)
Standort Nordrhein-Westfalen: Die Mehrzahl der CDs von WortArt und Zampano werden im Westen und Süden Deutschlands aufgenommen. Auch auffallend viele Künstler stammen aus diesen Regionen. Im Norden und Osten bleibt die Humorproduktion dagegen zurück. Eine CD von einem ostdeutschen Komiker gibt es bislang bei keinem der beiden Labels. Marcell Gödde beobachtet jetzt allerdings regelmäßig die Comedy- Ansätze in den Sendungen des MDR. „Das wird interessant“, sagt er. „Aber ich habe überhaupt keinen Bock auf dieses furchtbare Ostkabarett alten Schlages.“
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