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Rätsel um AKW Mühlheim

■ Wann geht das umstrittene, derzeit stillgelegte Kraftwerk wieder ans Netz? / Fortsetzung des langen juristischen Tauziehens

Mainz (ap) - Der rheinland-pfälzische Umweltminister Alfred Beth will für das bereits fertiggestellte Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich nach Angaben von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle nachträglich die erste atomrechtliche Genehmigung erteilen, jedoch nicht den Sofortvollzug anordnen. Brüderle teilte gestern in Mainz mit, Beth habe am Vormittag das Kabinett informiert, daß er zu einer positiven Entscheidung im Teilgenehmigungsverfahren gekommen sei.

Da über einen Sofortvollzug noch nicht entschieden wurde, ist offen, wann das seit September 1988 abgeschaltete Kernkraftwerk wieder in Betrieb genommen werden kann. Die Städte Neuwied und Koblenz haben bereits angekündigt, daß sie gegen eine Teilgenehmigung gerichtlich vorgehen werden. Dadurch würde ein Wiederanfahren des Kraftwerks verhindert.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 1988 die bereits aus dem Jahr 1975 stammende erste Teilgenehmigung wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. Daraufhin mußte das Genehmigungsverfahren für die erste Genehmigung, die die Grundlage für den Baubeginn ist, neu durchgeführt werden.

Brüderle sagte, vor einer Entscheidung über einen Sofortvollzug müsse das Wirtschaftsministerium eine energiepolitische Bewertung erarbeiten. Dabei müßten Fragen der Versorgungssicherheit und der Preiswürdigkeit der Energieversorgung geprüft werden. Wann diese Bewertung vorliegen wird, ist noch unklar. Der FDP-Wirtschaftsminister will den Energiebeirat des Landes einschalten und eine Anhörung von Fachleuten durchführen.

Bereits zweimal mußte das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich bei Koblenz nach Gerichtsurteilen abgeschaltet werden. Das Gericht rügte damals, daß der in der ersten Teilgenehmigung vom 9. Januar 1975 festgelegte Standpunkt nicht exakt eingehalten und die Anordnung des Gebäudekomplexes verändert wurde, ohne daß dies vor Baubeginn genehmigt wurde. Der spätere Bescheid in der zweiten Teilgenehmigung aus dem Jahr 1981 habe den rechtlichen Ansprüchen nicht genügt.

Die Änderungen wurden vorgenommen, weil nach einem Gutachten das Reaktorgebäude genau auf einer „geologischen Bruchlinie“ gestanden hätte. Damit ist eines der strittigsten Themen in der nunmehr 20jährigen Auseinandersetzung um das Kraftwerk berührt: die Frage nach der Erdbebensicherheit. Fast alle bisher ergangenen acht Teilgenehmigungen wurden beklagt. Die Erdbebengefahr im Rheintal, die Bevölkerungsdichte im Raum Koblenz, mögliche Klimaveränderungen im „Neuwieder Becken“ durch die Kühlsysteme sowie die Gefahr von Flugzeugabstützen wurden als Argumente gegen Mülheim-Kärlich ins Feld geführt. Die Erdbeben, die Ende Mai im Rhein-Main-Gebiet registriert wurden, bestätigten die Bürgerinitiativen in ihrer Ansicht, daß Mülheim-Kärlich erdbebengefährdet sei. Das Urteil von 1988 führte zu einer Neuauflage des Genehmigungsverfahrens. Aus Protest gegen Einlaßkontrollen und Verhandlungsführung bei der Anhörung boykottierten die AKW-Gegner die Veranstaltung.

Die Investitionskosten in Mülheim-Kärlich belaufen sich nach RWE-Angaben auf 5,5 Milliarden DM. Die Stillstandskosten seit September 1988 gibt das Unternehmen mit einer Million DM pro Tag an, so daß sich diese Kosten bislang auf 600 bis 700 Millionen DM addieren.

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