piwik no script img

Radfahren gegen den Strom bleibt verboten

■ Berlin will trotz Studie die Einbahnstraßen nicht für den Radverkehr in Gegenrichtung freigeben: „Risiko ist zu hoch“

Wer auf dem Drahtesel in der falschen Richtung durch eine Einbahnstraße fährt, riskiert weiterhin mindestens 20 Mark Bußgeld. Denn im Gegensatz zum Bundesverkehrsministerium denkt die Berliner Verkehrsverwaltung nicht daran, Einbahnstraßen für Radler in beide Richtungen freizugeben: Das Risiko von schweren Unfällen sei zu hoch, heißt es aus der Verwaltung. Grüne und der Verkehrsclub VCD dagegen fordern die Freigabe der Einbahnstraßen als „überfälligen Schritt hin zu einer Fahrradkultur“.

Nach Versuchen mit der Freigabe von Einbahnstraßen für den Radverkehr in Städten wie Freiburg, Bremen oder Münster plant nun auch das Bundesverkehrsministerium eine zeitlich begrenzte „Versuchsverordnung“. Diese soll die Kommunen ermächtigen, für übersichtliche Einbahnstraßen das Fahrverbot in eine Richtung aufzuheben, um die Attraktivität des Fahrradverkehrs zu steigern. Ein höheres Risiko für die RadlerInnen sieht Sabine Saphörster vom Bundesministerium nicht: „Nach unserer Erfahrung führt die Allgegenwärtigkeit von Radfahrern dazu, daß sich die Autofahrer mehr zurückhalten.“

Das sieht Tomas Spahn, Sprecher der Berliner Verkehrsverwaltung, ganz anders: „Diese Regelung setzt eine Vernunft voraus, die ich bei den Verkehrsteilnehmern in Berlin nicht sehe.“ Die Freigabe schaffe zusätzliche Risiken für die Radler und sei damit kontraproduktiv. „Radfahrer mißachten ja schon die Einbahnstraßen. Wenn sie sich aber dabei auch noch im Recht fühlen, suggerieren wir ihnen eine Sicherheit, die es nicht gibt“, meint Spahn. Auch wenn nur wenige Straßen freigegeben würden, erwachse daraus eine „Anspruchshaltung“ der Radfahrer auf andere Straßen.

„Prinzipiell sehr gut“ findet dagegen Martin Fischer vom Verkehrsclub VCD die Idee, die den Radverkehr vereinfachen würde. Doch mit einer einfachen Freigabe sei es nicht getan. Straßenschilder, Verkehrsberuhigung oder Radspuren anstelle von Parkplätzen müßten dazukommen. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, fordert die Freigabe und Anpassung der Autofahrer an die Radfahrer: „Bestes Beispiel ist die Siegfriedstraße in Neukölln. Statt sie für den Radverkehr zu öffnen, werden die Radler auf die vielbefahrene parallele Silbersteinstraße gedrängt, die nicht mal einen Radweg hat. Wer so plant, der kann nicht mit dem Argument kommen, die Fahrt in Einbahnstraßen sei zu gefährlich.“

Arield Peltz aus der Verkehrsverwaltung will sich die Freigabe nur mit veränderten Kreuzungen vorstellen. „Ich bin skeptisch. Bis zum Beweis des Gegenteils denke ich, daß das Risiko steigt.“

Diesen Beweis könnte er aus Münster bekommen. Dort gelten befahrbare Einbahnstraßen als nicht gefährlicher als andere Straßen. Die westfälische Fahrradmetropole verzeichnet nach einer Studie der Planungsgemeinschaft Verkehr (PGV) aus Hannover seit der Freigabe von Einbahnstraßen für die Radler sogar einen Rückgang der Verkehrsunfälle mit Radfahrern von 21 auf 17 Prozent. Bernhard Pötter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen