: Radeln im Grenzgebiet
betr.: „Butterfahrt auf zwei Rädern“ von Claudia Schallenberg, taz vom 27. 5. 06
Brauchen Fahrradtouristen wirklich Umgehungsstraßen? Umgehungsstraßen, die vor allem an den Menschen vorbeiführen sollen, die an der Strecke leben, Menschen, die offenbar nur darauf warten, den armen willenlosen RadlerInnen aus der Hauptstadt das Geld aus der Tasche zu ziehen, und dann weder die Wege in Stand halten noch in den Broschüren die Witterungsverhältnisse darstellen? Diese Argumentation ist absurd und arrogant.
Zum Beispiel führt der erwähnte Werra-Radweg fast auf ganzer Länge durch ehemaliges Grenzgebiet, weitab der Zentren und 50 Jahre abgehängt. Wenn man genau hinschaut, spürt man, dass nicht Abzockerei dahinter steckt, sondern eine Chance genutzt wird, wenn jemand in seinem Garten, der an den Radweg grenzt, eine Bude aufbaut und Eis und Limo verkauft. Und es macht viel Spaß, auch die Orte, die am Wege liegen, kennen zu lernen und sich damit ein Bild von einer Region zu machen, statt Kilometer fressend vorbeizurauschen. Das kulturelle Erbe am Wege lässt sich auch nur erhalten, wenn ab und zu jemand vorbeischaut.
Der Ausbau von durchgehend abseits der großen Straßen befahrbaren Radwanderwegen war lange überfällig, das zeigt die hohe Resonanz, dazu trägt er in vielen strukturschwachen Regionen zur selbstständigen Existenzmöglichkeit bei. Dass damit auch Geschäfte gemacht werden, von denen die Menschen am Wege leben, ist nicht verwerflich, sondern notwendig, denn der Verkehrsminister zahlt Autobahnen, ICE-Trassen und Umgehungsstraßen, auf denen man schnell in den Fahrradurlaub kommt, aber kaum die Radwanderwege selbst. STEPHAN AMTSBERG, Kassel