RICHTUNG FINDEN : Auf in die Jein-Straße
Nils Schuhmacher
Wie Jacques Palminger unlängst erklärte, teilt sich die Welt in eine „Nein-“ und eine „Ja-Straße“. Zumindest Erstere ist leicht zu finden. Das Problem dabei ist, dass man oft nicht gerne hineingehen möchte. Denn es erwartet einen dort nicht einfach nur Ruppiges, Kantiges, ein kaputtes Gebiss, das sich fröhlich-subversiv in Doofheit und Angepasstheit verbeißt, bis alle Eltern, Lehrer und so weiter schreien. Sondern ein kollektives Nein, das wenig Hoffnung spendende Bandnamen trägt wie „Muttakuchen“, „Pervy Pissheads“, „Willy Wanker and the Blowjobbers“. Und wird es mal doppelbödig, kreuzen Filmdokumentationen „zwischen Punk-Nostalgie und Spießertum“ (also zwischen Pest und Cholera) den Weg, die naheliegenderweise „1,7“ heißen und von einem Etikettenschwindel namens Slime handeln. Da fällt das Ja natürlich nicht sonderlich schwer, will man spontan ausrufen.
Aber die „Ja-Straße“ von Palminger ist im popkulturellen Stadtplan gar nicht ohne Weiteres zu finden. Über die unüberwindbare Distanz zu den aktuellen musikalischen Vertretern von Sicherheitsdispositiv und regressivem Fluchtreflex (von „gib mir ein kleines bisschen Sicherheit“ über „ich halte es hier nicht mehr aus“ bis „ich bin weg, au revoir“) braucht man hier nicht zu sprechen. Interessanter ist allemal, dass Palmingers „Ja“ sich deutlich von dem eine Spur zu ironischen „Nein“ abhebt, das im Subtext so vieler derzeitiger Beiträge zu finden.
Man kann den mikrosoziologischen Beobachtungen und Standortbestimmungen etwa von Erfolg oder Rocko Schamoni vieles Gutes attestieren. Sie irritieren, sind dieses oder jenes und haben stets gute Slogans parat. Aber die Gestalt Jacques Palminger wirkt in ihrer theatralischen Gestelztheit und ihrer musikalischen Emigration aus dem Pop-Kosmos (klar: Richtung Jazz) doch dann mehr wie eine an Klamauk ärmere, an Anarchismus hingegen umso reichere Version von Helge Schneider (9. 5., 20 Uhr Polittbüro). Und das ist nun wirklich eine ganz andere Straße.