RAF-Selbstmorde: Dreißig, vierzig Jahre
Der Selbstmord der RAF-Vorderen Baader, Ensslin und Raspe hat Jubiläum. Es war eine Flucht der selbst ernannten Helden der 68er - oder hätten sie etwa zu normalen Knastis werden sollen?
Dreißig Jahre Deutscher Herbst. Am 18. Oktober 1977 setzten sich die prominentesten Köpfe der RAF, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, in Stammheim selbst ein Ende. Was lange Zeit von Sympathisanten als Mord von staatlicher Seite vermutet wurde, war eher die Flucht davor, zu gewöhnlichen Knastis degradiert zu werden. Was wäre aus den selbst ernannten HeldInnen der 68er geworden, wenn sie sich in der Gefängnisnähstube oder als Hilfsbibliothekare verdingt hätten? Baader jetzt ein greiser Aufreißer und Ensslin eine Buchhändlerin für christliche Erweckungsliteratur?
Der Aufstand der RAF richtete sich gegen eine propagierte deutsche Wirklichkeit, die es damals so nicht gegeben hat. Mit Willy Brandt war 1969 ein Regierungschef gewählt worden, der für einen gesellschaftlichen Umruch stand. Die Konservativen hatten Angst, nie wieder ans Ruder gelassen zu werden. Die Nazis in den Institutionen wurden auch von Politikern wie Hamburgs Bürgermeister Herbert Weichmann oder Publizisten wie Hans Habe flankiert und kaltgestellt. Die Argumentationen, das System habe die radikale Linke dazu gezwungen, zu scharfen Waffen zu greifen, darf angezweifelt werden.
Doch nicht genug der Jubiläen. Schon im nächsten Jahr kann der gesellschaftliche Umbruch wieder gefeiert werden. Mit einer Frankfurter Ausstellung und dem Buch "1968. Eine Revolte" von Daniel Cohn-Bendit und Rüdiger Dammann wird erneut der revolutionäre Aufbruch gefeiert werden. Die Stilisierung der RAF und der 68er Bewegung zu den einzig moralischen Instanzen im Nachkriegsdeutschland verdeckt das entscheidende Jahr 1945: Die Niederlage der Nazis brachte Deutschland unter amerikanischem und britischen Druck auf den Weg zu einem zivilisertem Staat und nicht erst die studentischen Kader zwanzig Jahre später.
Die komplette Geschichte über die RAF-Granden, die 1968er und ihre Jubiläen erscheint am Samstag im Magazin der Tageszeitung. Am Kiosk.
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