: RADIO-DAYS
Donnerstag
Noch immer gilt es unter den Lebefrauen und -männern als leuchtend buntes Vorbild: Der Prototyp des Dandy, Oscar Wilde. Dieser beißend satirische Literat hatte neben seinem rein ästhetischen Oeuvre in allen Sparten der englischen Upperclass-Kultur ein freches Wörtchen mitzureden. In diesem Zusammenhang fiel seiner Neigung zur paradoxen Salon-Pointe so manch Widersprüchliches zum Thema Musik ein. Denn wie viele Kollegen aus der Dichterzunft war auch Wildes Verhältnis zur „sprachlosen“ Schwesterkunst gespannt. Was bei unserem preziösen Feingeist genau den Musikgeschmack auszeichnete, erfährt die erlauchte Anhängerschaft zum Tee, um 16.00 Uhr beim WDR 3. Schon der Titel klingt verführerisch: ...Leidenschaftliche, seltsam farbige Stücke...
Jugendradio DT 64 bietet um 22.03 Uhr der New Yorker Avantgarde ein Podium: The Big Gundown ist das Neueste, was John Zorn auf den Markt gebracht hat. Für dieses Unternehmen spannte er so hochkarätige Musiker wie Fred Frith, Diamanda Galas, Anton Pier und Bill Frisell vor seinen Karren.
Im SWF 2 schließt sich um 23.05 Uhr der heute morgen begonnene Kreis für die Feinsinnigen unter uns: Mit seiner Sendung Literatur und Musik liefert Autor Bert Lemmich einen Beitrag zur Rezeption der Rezeptionsästhetik. „Aber tue einer was gegen sein Gefühl“ - Wenn ich Liebknecht lese, höre ich immer Muzes Flöte dazu„ lautet das Motto. Als „Statisten“ werden Texte von Karl Liebknecht, Friedrich Hölderlin und Hans Magnus Enzensberger bemüht.
Freitag
L wie Lollipop heißt ein Porträt des russisch-amerikanischen Schriftstellers Vladimir Nabokov, das uns der SWF 2 um 22.30 Uhr beschert. Mit seiner wohl bekanntesten Kunstfigur „Lolita“ zeigte Navokov, was er von der Welt hielt, die er als Schriftsteller stets neu erschaffen wollte: Sie ist falsch, grausam, verführerisch, sinnlos. Der Stilist Nabokov nimmt sich die Details im Zoom, der Nah- und Momentaufnahme vor und betrachtet die Welt als ästhetisches Phänomen.
Samstag
Die Kunstfans in der Hörerschaft sollten ihre Weekend -Einkäufe schon Freitags erledigen, denn auf hr 2 wird um 12.00 Uhr die Dokumenta II vorgestellt, bei der es zu heftigen Kontroversen um die Auswahl der Exponate kam. Gerade die Riesenleinwände der abstrakten New Yorker Schule waren den bundesdeutschen Kunstkritikern anno 1959 noch viel zu „modern“. Die Debatten bebildern treffend, wie hartnäckig man hierzulande der gegenstandslosen Kunst den Einzug in die Museen verweigern wollte.
Wer den WDR 4 in Reichweite hat, kann sich abends dann Kurt Weills Version von New York zu Gemüte führen: AB 20.05 Uhr geht hier seine Broadway-Oper „Street Scene“ über den Äther. Diese 1947 uraufgeführte Symphonie einer Großstadt reiht belanglose Begebenheiten, gescheiterte Hoffnungen und amerikanische Träume zu einem athmosphärisch dichten Bild der Metropole.
Sonntag
Für Opernfans, die tragische Geschichten vorziehen, hat der hr 2 einen Stoff von Yukio Mishima zu bieten. Hans-Werner Henze verarbeitete dessen Roman über einen rituellen Mord an einem japanischen Ex-Seemann. Täter sind eine Gruppe von Jugendlichen der sechziger Jahre, die ihre Ideale vom „freien Mannsein“ in der japanischen Industriegesellschaft gerade durch die Heirat dieses Mannes verraten sahen. Das verratene Meer kommt heute, einen Tag nach der Uraufführung in der Deutschen Oper Berlin um 20.05 Uhr.
geha
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