: Quo vadis DDR? Jeder weiß es besser!
■ In der AL-Fraktion wird morgen über Deutschlandpolitik gestritten Zweistaatlichkeit oder Wiedervereinigung: MdA Cramer muß sich rechtfertigen
In der Fraktion der Alternativen Liste ist jetzt erneut der Deutschland-politische Streit entflammt. Weil er auf der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses die Minderheitenposition der AL nach einer möglichen „Wiedervereinigung“ benannt und die Ost-Politik der SPD scharf angegriffen hatte, muß sich der Abgeordnete Cramer morgen vor der Fraktion rechtfertigen. Schon während der Debatte hatte ihn sein Fraktionskollege Statz „korrigiert“. Und der wirtschaftspolitische Sprecher Hopmann hatte sich in einer Erklärung „distanziert“. Der Stein des Anstoßes in Cramers Rede war die Darstellung der Positionen der AL zur Deutschlandpolitik. Wörtlich sagte Cramer: „Während es für manche in der AL zur Beibehaltung der Zweistaatlichkeit keine Alternative gibt, sehen andere die Zukunft in einem wiedervereinigten Deutschland.“ Cramer wird jetzt vorgeworfen, im Namen der Alternativen Liste für die Wiedervereinigung eingetreten zu sein. Er habe nicht deutlich gemacht, daß die AL eine klare Beschlußlage zur Zweistaatlichkeit habe. Sein Fraktionskollege Statz hält selbst für den Fall, daß die DDR-Bürger selbst in Richtung Wiedervereinigung dächten, an dieser Option fest. Er werde weiter „solidarisch und kontrovers darüber diskutieren“, daß die Wiedervereinigung im gesamteuropäischen Kontext, „kein friedenspolitischer Weg ist“, erklärte Statz am letzten Donnerstag.
Bei seinem Fraktionskollegen Hopmann ist Cramer auch wegen seiner Kritik an der Entspannungspolitik der SPD in Ungnade gefallen. Cramer hatte der SPD vorgeworfen, sich in der Vergangenheit nicht um die unabhängigen Gruppen in der DDR gekümmert zu haben. Er nannte dies „obrigkeitsfixierte Deutschlandpolitik“. Für Benno Hopmann war das, was sein Kollege vortrug, ein „Angriff auf die Entspannungspolitik“, die in die „Zeiten des kalten Krieges“ gehört.
Michael Cramer war von der Fraktion für die aktuelle Stunde zur DDR als Redner vorgeschlagen worden, um die Schwerpunktsetzung der AL auf die Unterstützung der Oppositionsgruppen deutlich zu machen. Cramer ist einer derjenigen, die immer konsequent auf den Dialog mit den Gruppen gesetzt haben. Daß er im Namen der Fraktion für die Wiedervereinigung optiert habe, weist Cramer zurück. Er habe lediglich benannt, daß es in der AL auch Gedanken in diese Richtung gibt. Die Veränderungen in den osteuropäischen Staaten und auch in der DDR , meint Cramer, üben Einfluß auf beide deutsche Staaten aus. „Was dort in Bewegung gekommen ist, bewegt auch uns hier“, sagt er und hält es deshalb im Augenblick nicht für sinnvoll, der DDR einen Weg vorzuschreiben, egal, ob der dann Zweistaatlichkeit oder Wiedervereinigung heiße.
bf
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