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■ QuerspalteZahlen, Zeichen, Wunder

Noch 1.000 Tage bis zum Jahre 2000. Noch 77 Wochen bis zur Wahl. Noch 53 Zeilen bis zum Ende dieser Kolumne. Pythagoras lehrte: „Alles ist Zahl“, und die Zeichen mehren sich, daß irgendwas geschehen wird mögen. Im Januar berichtete Reuter von einer 85jährigen Dame aus Hannover, die mehr als 115.000 Mark ausgab, um die Spielschulden zu begleichen, die ihr verstorbener Mann im Himmel gemacht hatte. Kurze Zeit später lockte ihr der 23jährige Magier Timor weitere 100.000 Mark heraus, weil sich ihr Mann „ein Grundstück im Himmel kaufen möchte“. Im Februar sah man auf der Frontpage der B.Z. eine junge Frau beim Papstbesuch. Die Oblate, die der heilige Mann ihr gab, war tatsächlich zu Fleisch geworden, was ein ziemlich pervers aussehendes Foto bewies, auf dem die junge Christin ein blutiges Stückchen Jesus auf der Zunge liegen hatte.

Und dann Hale Bopp. Seit Hale Bopp vorbeiflog und seine Freunde mitnahm, gibt es jeden Tag lehrreiche Privatfernsehdokus über geheimnisvolle Ufos, deren Landung von den Geheimdiensten dieser Welt seit 44 Jahren geheimgehalten wird. Die ufofreundliche RAEL-Bewegung (28.000 Mitglieder) bemüht sich, in der Nähe Jerusalems ein Botschaftsgebäude zum Empfang der Außerirdischen zu errichten, deren Ankunft in 1.000 Tagen erwartet wird. Wenn Israel den Bau ablehnt, „wird es dem Druck seiner Feinde nicht mehr widerstehen können“. Eine argentinische Bekannte berichtet von riesigen Plakatwänden in der Nähe von Córdoba, auf denen man die Außerirdischen mit einem freundlichen „Willkommen!“ begrüße. Ab und an wird auch in meiner kleinen Zeitung auf die Verbindung zwischen Drogen und Außerirdischen hingewiesen.

Sehr interessant. Die Menschen zittern und zagen und gieren nach Zeichen. Kohl wog am Tag, an dem er seine Kandidatur bekanntgab, 111 Kilo. Am Bahnhof in Hamburg-Altona gibt es ein Geschäft, in dem alle Waren genau 99 Pfennig kosten. Vorbedeutungen überall, die auf Entscheidungen deuten. Detlef Kuhlbrodt

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