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■ QuerspalteLummer geht in Rente

Es gibt, sagt Shakespeare oder Mathias Greffrath, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als wir „liberalen Wichser“ uns so träumen lassen. Heinrich Lummer z.B., rechtsradikal bis in die katholischen Knochen und mit einem besonderen Faible für Hausbesetzer, Apo Öcalan und die Todesstrafe gesegnet – gibt's den wirklich? Innensenator und Fraktionsvorsitzender war er und hat dann an Weihnachten nichts Besseres zu tun, als stockbesoffen durch Berlin zu gondeln, als wollte er sich bei Princess Diana als Chauffeur bewerben. So was gibt's nicht oder bloß in Berlin.

Andererseits hat Lummer ein weiches Herz. Er will, hat er jetzt verkündet, nicht mehr für den Bundestag kandidieren, sondern fürderhin seinen Leidenschaften Kunstgeschichte und Philosophie obliegen. Die Älteren werden sich noch an Lummer als Pionier der Wiedervereinigung erinnern: Wann immer er sich aus seinen intimen Verflechtungen in die Westberliner Bau- und CDU-Mafia freimachen konnte, reiste Lummer in den Osten, oblag einer Stasi-Agentin und gab als Notopfer Berlin seine persönliche Samenspende ab. Aber niemand dankte es ihm.

In seiner Not hat sich der Mauerbespringer der Berliner Zeitung anvertraut: 1961 (genau vom 1. April an) fand Lummer „hauptberufliche Verwendung“ beim Bundesnachrichtendienst. Lange ehe Gregor Gysi das Wort „Stasi“ nur buchstabieren konnte, ließ sich der RCDS-Student Lummer vom BND für die Auslandsaufklärung anwerben und horchte DDR-Flüchtlinge aus. 2.000 DM monatlich nach BATIII hat der Werkstudent Lummer damit seinerzeit verdient.

Den fröhlichen Zecher liebt der Herr, Honecker läßt er laufen, aber bei den Pionieren der deutschen Einheit hat er kein Einsehen. Die Kohlsche Rentenstrukturreform droht Lummer um die Früchte seiner Liebesmüh zu bringen, und so hofft er wenigstens auf eine kleine Betriebsrente vom BND. Sonst muß er am Ende wieder rüber zur Feindbeobachtung. Heinrich, wir halten dir die Stange! Willi Winkler

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