Querdenker, Versager und Kuttenfrust: Sie verlassen den logischen Sektor

Nazis eint die Sehnsucht nach der Katastrophe. Frankreich beneidet uns um den Coronaföderalismus. Ach ja: Das Kopftuch bleibt Zankapfel.

Merkel in der Bundespressekonferenz

Das Virus als Zumutung für die Demokratie. So sieht das Angela Merkel Foto: Michele Tantussi/reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ampeldiktatur in Deutschland.

Und was wird besser in dieser?

Querdenker gehen bei Rot.

Am Samstag demonstrierten ein paar zehntausend Co­ro­naleugner:innen, darunter bekennende Nazis. Manche schwenkten Reichskriegsflaggen, versuchten, das Reichstagsgebäude zu stürmen. Hat Deutschland ein Naziproblem?

Die Demonstranten konnten ihre Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausüben, um vorzubringen, dass es keine Meinungs- und Versammlungsfreiheit gebe. Um dann wiederum den Ort und Hort dieser Freiheit, den Bundestag, zu erstürmen. Fehlten Plakate wie „Sie verlassen jetzt den logischen Sektor“. Nazis, Esos und Sektierer verbindet die Sehnsucht nach Katas­trophe und Weltuntergang. Manche genießen die Angst, manche nutzen sie. Man kann Reichsbürger aussortieren, Zugängliche agitieren, doch der zentrale Hebel bleibt: Zuversicht.

Der Christchurch-Attentäter muss lebenslang hinter Gitter ohne Bewährung. Premierministerin Jacinda Ardern begrüßt das Urteil und fordert „Stille auf Lebenszeit“ für den Attentäter. Ist sie ein Vorbild im Umgang mit rechtsextremem Terror?

„Lebenslang“ bedeutet hier: bis zum Tode. Der Richter gönnte sich den frivolen Hieb, aus der rassistischen Denke des Mörders heraus zu folgern: „Sie haben versagt.“ Weil er ja eine „Welle von Liebe und Solidarität“ ausgelöst hat. Premierministerin Ardern möchte den Namen des Mörders nie mehr hören, noch aussprechen. Das ist verständlich und herzig. Die Tat mahnt, dass geschehen kann, was unmöglich schien. Es tut also not, sich zu erinnern.

In der NSU-2.0-Affäre soll es auch in Hamburg und Berlin illegale Datenabfragen gegeben haben. Rassistische Polizisten also doch nicht nur ein hessisches Problem?

Es nervt, dass die Polizei nach über zwei Jahren keine Ergebnisse ermittelt hat – aber schon mal durchsickern lässt, man ermittle auch in Richtung eines russischen Mailservers. Während es weiter Hassmails setzt, basteln die am Pappschild „Putin ist der neue Döner“.

Weniger kostenlose Tests für Reiserückkehrer, einheitliches Bußgeld für Maskenpflicht-Verstöße und keine Großveranstaltungen bis Ende des Jahres. Auf diese Coronaregeln haben sich Bund und Länder geeinigt. Reicht das, um Corona in den Griff zu bekommen?

Einheitliche Regeln mindern rhetorische Angriffsfläche. Auch, wenn Deutschland etwa in Frankreich für seinen Coronaföderalismus beneidet wird. Welle hin oder her – wir bewegen uns auf den Showdown zu: behutsame Gesundheitspolitik gegen immer massivere Wirtschaftsinteressen. Coronazweifler skandieren bald „Aber die Arbeitsplätze“.

Donald Trump ist erneut Präsidentschaftskandidat der Republikaner. In seiner Nominierungsrede gab es mal wieder viel Lob für ihn selbst und Lügen über andere. Was glauben Sie, wird er ’s noch mal?

Warum immer ich? Na gut. Ja, der Alb geht weiter.

Angela Merkel sagte in ihrer jährlichen Sommer-Pressekonferenz: „Das Virus ist eine demokratische Zumutung.“ Ein Satz für die Geschichtsbücher?

Ein Sprachunfall aus ihrer Regierungserklärung Ende April. Gemeint scheint: „eine Zumutung für die Demokratie“. Merkel kassiert Sympathie für ihre Sensibilität, wenn es um Freiheitsrechte geht. Und tolle Umfrageergebnisse für autoritäres Handeln. Bingo.

Der Oberste Gerichtshof hat entschieden: Die bayerische Grenzpolizei ist in Teilen nicht mit der Verfassung vereinbar. Ist das ein Big Point für die Grünen als Kläger?

Der Bund hat sich den Grenzschutz zur „Polizei des Bundes“ umgepfuscht, weil’s an den Grenzen nichts mehr zu tun gibt. Nun gönnt MP Söder sich einen neuen Grenzschutz, weil an den Grenzen viel zu tun sei. Hütchenspieler erwischt.

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat den Entschädigungsanspruch einer Lehrerin bestätigt, die wegen ihres Kopftuchs abgelehnt worden war. Ist das Berliner Neutralitätsgesetz damit tatsächlich vom Tisch?

Ich fand Bundeswehroffiziere und Pfaffen in vollem Ornat an meiner Schule nie sonderlich „divers“. Sondern invasive Kuttenpropaganda. Wenn Kopftuch und Kippa gefühltes Körperteil sind, muss ich umlernen. Versuchen Sie, den haarfeinen Unterschied in einen Gesetzestext zu gießen. Die Berliner SPD will’s noch mal versuchen, und schön scheitern haben die ja drauf.

Und was machen die Borussen?

Der neue Kader des BVB hat einen Transferwert von rund 600 Mio. Euro. Die Personalaufwendungen der Stadt Dortmund 2020 betragen 500 Mio. Euro.

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und zuversichtlich.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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