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Querbeet

■ Das Frankfurter TAT und die Newcomer

Im Frankfurter TAT beginnen Regie-Karrieren auf der Probebühne (und enden auch dort). Meistens sind es Autoren oder Dramaturgen, die sich die Hörner wetzen. Was gefällt, gilt als Geschmeide der Newcomer, was nicht, trennt sie als Talente von echten Begabungen. Der Kritiker: ein Applausmesser.

Zur Eröffnung von zwei neuen TAT-Probebühnen wurden die Regisseure im Fünferpack vorgestellt. Jeder erhielt eine halbe Stunde. Eine anständige Zeit für einen Gag, für eine Handlung zu kurz. Was den Schauspielern das Vorsprechen, ist den Regisseuren das Vorspielen. Manchen gelang, noch in 30 Minuten das Publikum zu langweilen oder verwechselte die Probebühne mit einem Studententheater.

Alle gaben Antistadttheater, abseits vom Mainstream. In der Öffentlichkeit die Gescheiterten beim Namen zu nennen, höhnt dem Begriff der Probebühne. Die Beteiligten als „Schule“ zu bezeichnen, höhnt der Eigenart ihrer Persönlichkeit. Gleich aber zu verteidigen, was taugt, macht Sinn. Verschieden die Namen: Längst bewährt hat sich Oliver Hardt, zuletzt mit einer glühenden Nicht Ich-Interpretation Becketts, die auch aufgrund seines Komponisten Albrecht Kunze und der Schauspielerin Karolina Sauer ein fulminantes Werkstück aus Sound und blendendem Licht wurde — nicht mehr inszeniertes, sondern komponiertes Theater. Hardt fand in der quasi musikalischen Behandlung von Bühne, Licht und Sprache seinen unverwechselbaren Stil, den er wiederholt, etwas altmodisch minimalistisch, aber wirkungsvoll und sehr genau gearbeitet.

Rene Pollesch. Windet sich in den letzten Ecken (in Frankenthal, in der Ruhe des Abseits), ein Zwitter, Autor und Regisseur. Seine Stücke nennt er Arbeitsvorlagen; Bühnenverleger reißen sich vergeblich um ihn. Der Titel all seiner Stücke, Harakiri einer Bauchrednertagung, ist für sich schon sprachliches Kleinod. Der einst von Heiner Müllers geschichtsschwangerer Lyrik Infizierte ist zu einem neuen Komödientypus vorgestoßen. Sätze wie „Die ekligen Seifenspender, ich denke immer, mir wichst einer in die Hand“, schneiden tief gegen die nächsten: „Bei einer Giftgaskatastrophe sollen sie die Lebensmittelpakete ausgerechnet über einer Trampolinausstellung abgeworfen haben. Das muß man sich mal vorstellen. Die sahen ihre Lunchpakete vom Himmel fallen, und, peng boing, waren sie schon wieder weg.“ Die britische Lakonik funktioniert bestens mit der Schauspielerin Susanne Strenger. Ihre Herablassung, sobald sie nur den Mund öffnet oder die Augen verdreht, entfacht quiekende Reaktion. Den beiden gebührt ein Komödienhaus, es dürfte immer ausverkauft sein.

DetonatorX, im bürgerlichen Leben Werbetexter, möchte gern das „enfant terrible“ des Theaters werden. Er verblüfft Zeitungsstuben mit spottsauren Statements zum deutschen Stadttheater und ist ein Meister der Selfpromotion. Er bestritt das Finale. Ein Kadett rast durch die Wand, ein Proll entsteigt und erschießt — Vorträge über die Ästhetik des Amoklaufs haltend — mit Blutbeuteln präparierte Mitglieder des Publikums. Ein wahres Mitleidstheater; bloß leidlich, daß es beim lustig-lauten Shootdown so schlechte Stuntmen gab. Ihm geht es um Schockspaß, um Leichenblässe in den Gesichtern der Zuschauer, um die Aktion. DetonatorX haßt das Thater, macht Gedöns, glaubt aufklärerisch, man müsse Gewalt „unmittelbar“ erleben, damit sie wirke. DetonatorX wiederholt in seinem bitterernsten Spaßmuseum die Radikalität der Siebziger. Unzweifelhaft gebührt ihm ein Logensitz in der Innung — „Wie promote ich mich und mein Theater?“ Arnd Wesemann

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