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Quellenbesteuerung für den symbolischen Proporz

■ Rudolf Hickel von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (“Memogruppe“) analysiert für die taz die Koalitionsbeschlüsse zur Finanzierung der Steuerreform / Mehrwertsteuererhöhung noch nicht vom Tisch / Kapital– fluchtgefahr steigt und muß durch entsprechende Gesetze bekämpft werden

Die letzte Stufe der Steuerreform von 1990 sieht Entlastungen in Höhe von knapp 40 Milliarden DM vor. Woher dabei das Geld kommen soll, war bislang für 19 Milliarden DM noch völlig unklar. Das Wochenendmanöver der Bonner Koalitionäre erbrachte jetzt immerhin 15 Milliarden DM. Das Finanzierungsprogramm hat zwei Schwerpunkte. Überraschen dürfte es nicht, daß bei der Suche nach Subventionsstreichungen die ArbeitnehmerInnen ins Visier gerieten, während die Unternehmer hier kaum in die Finanzierung einbezogen wurden. Damit wurde die Logik „Leistung muß sich wieder lohnen“ auch bei der Finanzierung eingehalten. Wer schon hat, dem wird mehr gegeben. Die schlitzohrige Überraschung ist nun die Besteuerung der Zinserträge der privaten Haushalte an der Quelle. Die geplante Quellensteuer auf die Zinserträge auf Sparbücher und festverzinsliche Wertpapiere (Sparkassenbriefe, Bundesschatzanweisungen und Obligationen) ist trotz aller gegenteiligen Behauptungen keine neue Steuer. Es geht lediglich um die Sicherung der Besteuerung an der Quelle und damit die Einhaltung des geltenden Rechts. Heute schon müssen die Banken jeweils 25 Prozent der Dividenden, die an Aktionäre gezahlt werden, an die Finanzämter direkt überweisen. Bei den Steuern auf Sparguthaben und festverzinsliche Wertpapiere sowie Erträgen aus Lebensversicherungen blieb es dagegen bisher dem Steuerzahler überlassen, die Erträge aus diesen Finanzanlagen im Rahmen der Lohn– und Einkommenssteuer zu deklarieren. Faktisch lief das darauf hinaus, daß circa 110 Milliarden Zinserträge aus den 2.200 Milliarden DM Geldvermögen der privaten Haushalte (ohne Aktien) dem Finanzamt durch die Betroffenen nicht mitgeteilt wurden. Alte Forderung Die Deutschen entpuppten sich also als ein Volk der Steuerhinterzieher. Die Besteuerung der Zinserträge an der Quelle mit zehn Prozent, die dann endgültig im Lohnsteuerjahresausgleich bzw. der Einkommenssteuerklärung verrechnet werden, soll dieser kavaliershaften Steuerhinterziehung ein Ende setzen. Die Forderung nach der Besteuerung der Zinseinkommen an der Quelle - vergleichbar der Lohnsteuer, die an der Quelle von den Arbeitgebern an die Finanzämter überwiesen werden muß - stand deshalb immer schon auf dem Katalog derje nigen, die Steuergerechtigkeit fordern. Sie ist eine typische gewerkschaftliche und sozialdemokratische Forderung. Darüber können jetzt die Manöver des finanzpolitischen Sprechers der SPD, Hans Apel, nicht hinwegtäuschen. Auch die Memorandumsgruppe hat seit 1984 die Quellenbesteuerung gefordert, die bei den Dividenden auf Aktien immer schon unstrittig war. Es wundert nicht, daß vor allem die Banken und Wirtschaftsverbände gegen diese Finanzierungsmaßnahme protestieren. Noch vor vier Jahren liefen das Bundesministerium für Wirtschaft und der Bundesfinanzminister Stoltenberg Sturm gegen diese Quellsteuer. Stoltenberg im Originalton: „Wir gehen von der Steuerehrlichkeit der meisten Sparer aus.“ Woher nun der Gesinnungswandel? Die finanzielle Not, aber auch der Blick auf den symbolischen Proporz angesichts der Wahlniederlage der CDU haben hier sicherlich eine Rolle gespielt. Da der Vorschlag Stoltenbergs zur Deckung der 15 Milliarden bei der Finanzierung der Steuerentlastung 1990 zum Großteil durch ArbeitnehmerInnen getragen wird, mußte auch dem Besitzbürgertum etwas abverlangt werden. Auf der anderen Seite kann diese Neuregelung jedoch dazu führen, daß die Zinsen aus Sparguthaben einer Rentnerin steuerlich schwer belastet werden. Deshalb hat die „Memogruppe“ auch immer bei der Forderung nach der Verwirklichung dieser Quellensteuer hohe Freibeträge gefordert. Die bisher geltenden Freibeträge plus Werbekostenpauschale von 400/800 DM (Alleinstehende/Verheiratete), die beibehalten werden sollen, reichen bei weitem nicht aus. Das Wehklagen der Banken, jetzt würden die Bankanlagen durch Kapitalflucht weltweit versteckt, sollte dagegen nicht grundsätzlich irritieren. Die Steuerflucht eines Boris Becker nach Monaco kann kein Argument gegen die Besteuerung von Zinserträgen sein. Natürlich kann auch eine Quellenbesteuerung ins Leere laufen, wenn daraufhin die Kapitalanleger ins Ausland ziehen, wodurch auch die Kurse der Staatsanleihen in den Keller gehen dürften. Daraus muß jedoch die Konsequenz gezogen werden, daß endlich die Praktiken weltweiter Steuerflucht durch schärfere Kontrollen unterbunden werden. Schließlich sind die Chancen der Kapitalflucht nicht gleich verteilt. Einer Rentnerin oder einem abhängig Beschäftigten, der spart, sind die Möglichkeiten der Kapi talflucht völlig verbaut, während sie den Spitzenverdienern in Hochglanzbroschüren offeriert werden. In dem Vorschlag der Bundesregierung, aus finanzieller Not und Wahlpolitik des Ausgleichs geboren, schlummert immerhin eine alternative Sprengkraft, die jedoch vermutlich im endgültigen Gesetzgebungsverfahren noch entschärft werden wird. Das zeigt das gesamte Finanzierungspaket der 15 Milliarden. Während die Sicherung bisher geltenden Steuerrechts durch die Besteuerung der Zinserträge von der Quelle von Stoltenbergs Finanzierungspaket nur insgesamt fünf Milliarden DM ausmacht, wird der überwiegende Teil durch die ArbeitnehmerInnen aufgebracht: - die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonn–, Feiertags– und Nachtarbeit wird abgebaut. - eingeführt wird eine neue Arbeitnehmer–Werbungskostenpauschale. Sie bringt dem Fiskus drei Milliarden DM an Steuern zusätzlich. Die gesamte Wirkung dieser dritten Stufe der Steuerentlastungen von 1990 ist jedoch nur zu beurteilen, wenn nicht nur der Frage der Finanzierung, sondern in erster Linie einer anderen nachgegangen wird: Welche Gruppen werden durch die Senkung der Lohn–, Einkommens–, und Körperschaftssteuer ab 1990 im Umfang von knapp 40 Milliarden entlastet? Da gilt die doppelte Scherenentwicklung: Während die Entlastungen der ArbeitnehmerInnen gegenüber den Spitzenverdienern vergleichsweise gering ausfallen, konzentriert sich auf diese Gruppe die große Finanzierungslast. Wegen der konjunkturellen Risiken, die auf den Bundeshaushalt durchschlagen, sowie der EG–Anforderungen aber auch der Deckungslücken im jüngsten Haushalt, besteht auch immer noch die akute Gefahr, daß in einer nächsten Aktion die Mehrwertsteuer doch noch erhöht wird. Was jetzt tatsächlich im Streit um die Steuerfinanzierung ausgeblendet wurde, ist mittelfristig noch lange nicht vom Tisch. Wenn aber die Mehrwertsteuer erhöht wird, dann wird ein Drittel der Bevölkerung, die als Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger keine Steuern bezahlen, in die Finanzierung dieses „Jahrhundertschwindels“ einbezogen. Darüber hinaus konzentriert sich die Mehrwertsteuerbelastung auf die Lohnbezieher, deren Konsumausgaben, die besteuert werden, immer noch mehr der Einkommen auffressen als bei den hohen und Spitzenverdienern.

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