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Das PortraitQueen Mom des Pop

■ Elton John

„Lauter als die Concorde, aber nicht ganz so hübsch“ – der Slogan, mit dem Elton John einst auf Tour ging, nahm selbstironisch vorweg, was Biographen bis heute beschäftigt: daß ein kleiner, dicker, kurzsichtiger, bisexueller Mann mit Haarausfall es schaffen konnte, zum Superstar der Popmusik aufzusteigen. Aber vielleicht bleibt einem ja gar nichts anderes übrig, wenn man, weitgehend allein gelassen mit Mutter und Piano, in einem Ort namens Pinner in einer Landschaft namens Middlesex aufgewachsen ist. Reginald Kenneth Dwight, der „introvertierteste Extrovertierte, den ich kenne“ (so sein Manager), begann seine Karriere Ende der Sechziger in einer nicht sonderlich erfolgreichen Band namens Bluesology, aber bereits sein erster Hit, „Your Song“, bewies, was er am besten beherrschte: die stark gezuckerte, etwas tortige Prachtballade mit Schlag ins Allgemeine. Der große Erfolg kam für ihn und Texter Bernie Taupin mit den Siebzigern, als die heroischen Revolten der Gegenkultur bereits vorbei waren und ein Publikum in Schlaghosen und Synthetikleibchen sich nostalgisch an die Zeiten „when the rock was young“ (“Crocodile Rock“) zu erinnern begann. Elton ging als etwas keuschere Variante David Bowies durch – ein Mann ohne Skandale, der seine Exzentrik über Brillen mit blinkenden Glühlämpchen und Bühnenkostümierungen als Banane oder Freiheitsstatue auslebte.

Mit Punk kam der erste Karriereknick. Elton gestand öffentlich seine Bisexualität, nahm herzhaft Drogen, trieb sich mit John Lennon auf Sauftouren rum, sponserte den Fußballclub Watford, machte mit spektakulären Haartransplantationen von sich reden, bis er in den Neunzigern, beeindruckt vom Tod eines aidskranken Jungen, dem sündigen Leben abschwor und ganz in seiner Rolle als „Queen Mom of Pop“ aufging.

Seither spielt er für die angelsächsische Welt in etwa die Rolle Harald Juhnkes: geliebt, verehrt, verbraten – aber alles irgendwie außer Konkurrenz. „I guess that's why they call it the Blues“, wie es in einem seiner Hits heißt: Alle lieben Elton, weil in keinem zweiten Crooner dieses Sonnensystems das Drama des sehnsüchtigen Teenagers so restlos Performance, Melodram und Altersstil geworden ist. Heute wird er 50. Erschießt ihn also nicht, er ist so viel mehr als der Pianospieler. Thomas Groß

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