: Q U E R S P A L T E Aus Stenografensicht
■ Bundestagsredner sprechen zu langsam
„Wir müssen uns bemühen, unter möglichster Verwendung der Worte des Redners das zu Protokoll zu bringen, was er hat sagen wollen.“ Der Chef–Stenograf des Deutschen Bundestages, Friedrich Ludwig Klein, hat ab heute großes vor: Die Sitzungsperiode des Parlaments ist wieder eröffnet. Und während die eher gemächlichen Bundestagsredner knapp über Tempo 100 (Silben pro Minute) kommen, juckt es die 22 Hochleistungs–Stenografen keinen Meter unter ihnen in den Stiften: 300 bis 400 Silben schaffen sie leicht. „Die meisten unserer Mitarbeiter waren schließlich mal Deutsche Kurzschriftmeister.“ Wie schön für das guttrainierte Team, daß es wenigstens die Abgeordneten Heide Simonis (SPD) und Petra Kelly (Grüne) gibt: Mit über 300 Silben bringen sie wenigstens ein bißchen Tempo in den allzuoft recht leeren Saal. Was zu langsam geredet wird, wird dafür immer mal wieder zu schnell zitiert. Manches dem Hohen Hause vorgetragene Goethe–Zitat stammt in Wirklichkeit von Horaz - und umgekehrt. Der geduldige Stenografische Dienst richtets mit diskretem Charme. Kein Wunder, daß die dankbaren Abgeordneten ihre viel geforderten Intepreten öfter mal zum Umtrunk einladen und sie in ihren Ansprachen dankend erwähnen. Denn wenn keiner mehr zuhört - der Stenograf schreibt bis zum Ende mit. Kein Wunder auch, daß noch kein Stenograf seinen Platz mit einem Abgeordnetenstuhl vertauschen wollte. Wenn sie nichts mehr mitzuschreiben hätten, so mögen sie befürchten, würden sie vermutlich einfach wegschnarchen... Oliver Tolmein tazintern
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