: Punkt für Punkt: SPD notiert sich grünes Sündenregister
Die SPD-Ministerien haben die Konflikte der vergangenen Regierungsperiode mit den Grünen aufgelistet. Die taz dokumentiert das 16-Seiten-Papier in Auszügen
Arbeitsmarkt
– Kombilohn im Bündnis für Arbeit
Grüne lehnen pauschale Subventionierung niedrig qualifizierter Tätigkeiten ab, wollen Bezuschussung von Sozialbeiträgen bei Absenkung der durchschnittlichen Arbeitszeit und die Übernahme von Sozialversicherungsbeiträgen bei Beschäftigungsträgern in gemeinnützigen Feldern.
– Klare Orientierung auf 1. Arbeitsmarkt
Grüne wollen auch langfristig und dauerhaft staatliche Finanzierung in brach liegenden Tätigkeitsfeldern.
Justiz
– Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems
– JM (Justizministerium; Anm. d. Red.): Reform des Rechtsmittelverfahrens in Strafsachen erforderlich.
Grüne lehnen Verkürzung von Rechtsmitteln [...] ab.
– JM: Keine Verlängerung der Möglichkeit, Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren künftig zur Bewährung auszusetzen.
Grüne befürworten Verlängerung.
– Grüne wollen Entlassung von Ersttätern, die zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sind, nach Halbstrafenverbüßung. JM will 2/3 beibehalten.
– Drogenabhängige in Haft
Die Grünen möchten die Erprobung der diskreten Abgabe von Einmalspritzen über Automaten im Vollzug. JM lehnt dies strikt ab.
Polizei
– Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten (Grüne sehen Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet)
– DNA-Analyse (Grüne haben Bedenken)
– Neubau einer Verbrennungsanlage für Kampfmittel in Hünxe
Es ist mit erheblichem Widerstand der Grünen zu rechnen
Verkehrssysteme/Verkehrswege
– Straßenverkehr
(...) Aus Sicht der Grünen haben wir genug Straßen. Das Verkehrswachstum soll gebremst und umgelenkt werden (von der Straße auf Schiff und Bahn). Dies steht im fundamentalen Gegensatz zur Politik der Bundes- und Landesregierung (Antistauprogramm, Ausbau und Erneuerung der Landesstraßen, Bau von Ortsumgehungen).
Empfehlung insgesamt: Keine Streichungslisten für Einzelprojekte wie in der Koalitionsvereinbarung 1995.
Luftverkehr
Langfristig verfolgen die Grünen in Köln/Bonn ein vollständiges Nachtflugverbot. Kurzfristiges Ziel: Nachtflugverbot für Passagierflugzeuge von 0 bis 5 Uhr und für laute Frachtflugzeuge von 22 bis 6 Uhr. Durch eine bessere Kooperation zwischen Düsseldorf und Köln/Bonn soll der Ausbau der Landebahn in Düsseldorf und der Parallelbahn in Köln/Bonn verhindert werden.
Die Privatisierung der Flughafengesellschaft Köln/Bonn soll so lange abgelehnt werden, so lange ein Nachtflugverbot fehlt:
Der Ausbau des Flughafens Münster/Osnabrück zum Interkontinentalflughafen wird abgelehnt.
Diese Politik steht in allen Punkten konträr zu unserer Politik.
Schienenverkehr
Zum Metrorapid haben sich Bündnis 90/Die Grünen eher skeptisch geäußert. Ähnliches gilt für die Betuwe-Linie und für den „Eisernen Rhein“.
Technologie- und Branchenpolitik
– Bio- und Gentechnologie
Die sanfte Biotechnologie wird positiv beurteilt. Gentechnik ist eine Risikotechnologie. Die Grünen sind deshalb gegen die Förderung gentechnischer Vorhaben (...). Damit wird eine der wesentlichen Zukunftstechnologien in NRW verhindert.
Energiepolitik
– Lagerstättensicherung/Rohstoffgewinnung
Die Grünen gefährden den Zugriff auf Lagerstätten heimischer Bodenschätze: Braunkohle, Steinkohle, Sand, Kies, Ton, Kalkstein, Naturstein.
Der Konflikt resultiert aus der Nutzungskonkurrenz zum Naturschutz, Grundwasser- bzw. Trinkwasserschutz und sonstigen Umweltbelangen, die von MURL (Ministerium für Umweltschutz, Raumplanung und Landwirtschaft; Anm. d. Red.) bei der Lösung landes- und regionalplanerischer Konflikte ständig als Ausschlusskriterien gegen die Rohstoffgewinnung angewendet werden.
– Urananreicherungsanlage Gronau
Der Weiterbetrieb der Urananreicherungsanlage Gronau (UAG) ist gefährdet, weil MURL den Kreis Borken angewiesen hat, für Versiegelungsmaßnahmen im Lager der Anlage auf einer wasserrechtlichen Erlaubnis zu bestehen.
Umweltpolitik
– Agenda-21-Prozess: Umweltpolitik als Querschnittsaufgabe
Anmerkung: Die Grünen sind offensichtlich bestrebt, die Umweltpolitik als Querschnittsaufgabe mit Vetoposition, insbesondere bei wirtschaftlichen Fragen, auszubauen. Beispiele dafür sind der Agenda-21-Prozess, das Bündnis für Arbeit im ländlichen Raum und der grüne Verbraucherschutz-Ansatz
Es geht eher um das Gegenteil: Deregulierung, freiwillige Selbstverpflichtungen als generelles Strukturprinzip, Umweltvereinbarungen, Stärkung der Eigenverantwortung der Wirtschaft, Bürokratieabbau in der Umweltverwaltung, Umweltpakt NRW, Verzicht auf Ökoabgaben.
Schule/Weiterbildung
– Erwerb der deutschen Sprache für Migrantenkinder und ihre Eltern
Grüne wollen eher Ausweitung des muttersprachlichen Unterrichts.
– Weitere Stärkung der Schulleitungen
Grüne befürworten kollegiale Führungsstrukturen.
– Stärkung der Entscheidungsrechte der Schulkonferenz und der Stellung der Elternvertreter
Grüne wollen Rechte von Schülern deutlich zu Lasten derer der Eltern stärken.
– Qualität der schulischen Arbeit durch externe Überprüfungsverfahren sichern
Bedeutet nach Ansicht der Grünen zu viel Leistungsdruck.
Wissenschaft und Forschung
– Studiengebühren
Die Grünen sind gegen Studiengebühren für Weiterbildung und für Zweitstudien.
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