: Punkt, Strich, Klang
„Serve Music“ spielen Graphisches von Cornelius Cardew
Vor Jahren entflammte im Kulturteil der taz hamburg ein Disput: Anlass war ein kurzer Text über Cornelius Cardews Komposition „Treatise“ (1963–1967), gespielt vom Ensemble Transtonal beim Festival „Fließende Grenzen“ im November 1993 auf Kampnagel. Uneins waren der Rezensent und mehrere LeserInnen über die graphische Notation von „Treatise“ – anstelle von Noten ordnete der Stockhausen-Schüler Cardew Punkte, Kreise und Striche um eine Mittellinie – und deren Umsetzung.
Dem taz-Autor zufolge starrten die Musiker „auf die Papiere und zupften nebenher frei assoziierend am Klavier, klimperten auf der Gitarre und bliesen in die Geige“; auch eine Leserin hatte im Konzert nur „Dilettantismus“ erlebt. Dagegen konnten ein Musiker des Ensembles sowie eine musikwissenschaftliche Kapazität per Zuschrift ihr Expertenwissen über Stück und Kontext demonstrieren.
Musikologen gilt „Treatise“, geschrieben für beliebige Besetzung, als Höhepunkt einer Reihe von freien, experimentellen Arbeiten Cardews: Keinem Spieler werde gesagt, was er zu spielen habe, so der Komponist selbst, jeder müsse das selbst aus der Partitur herauslesen. Auch wenn eine von deren 200 Seiten vor ein paar Jahren von den einflussreichen Gelegenheitsneutönern Sonic Youth vertont wurde: Die Bekanntheit etwa der spektakulären Arbeiten seines Zeitgenossen John Cages hat das Stück des bekennenden Linksradikalen Cardew (1938–1981) nur in Fachkreisen erlangt; umso verdienstvoller, dass das Quartett Serve Music es nun in „weiten Auszügen“ zu Gehör bringt. aldi
Karfreitag, 22 Uhr, B-Movie