piwik no script img

Puddingprobe in Eimsbüttel

■ Erhaltenssatzung ab sofort gültig / Grundeigentümer jammern, Mieterlobby jubelt verhalten / Hamm, Neustadt, Barmbek sollen folgen Von Uli Exner

Vermieter aufgepaßt! Hamburgs Senat ist drauf und dran, Euch Eure besten Spekulationsobjekte zu klauen! Vorsicht ist seit Dienstag vormittag vor allem in Eimsbüttel geboten. In aller Frühe hat die Stadtregierung an diesem Tag einen feigen Anschlag auf das freie Spiel marktwirtschaftlicher Kräfte beschlossen: Die erste „soziale Erhaltungsverordnung“ der Hansestadt, gültig für die Stadtteile Eimsbüttel/Nord und Hoheluft-West, seit zwei Jahren geplant, gestern offiziell verkündet von Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow.

Wahres Teufelswerk: „Man will verhindern, daß dort überhaupt noch modernisiert wird,“ wettert Jürgen Happ, Vorsitzender des Hamburger Grundeigentümer-Verbandes. „Ganz eindeutig fortschrittsfeindlich“, sei diese Entscheidung, „sinnlos“, „juristische Schritte“ würden baldmöglichst geprüft, „wenn ein konkreter Fall da ist“.

Der dürfte nicht allzu lange auf sich warten lassen. Denn ab sofort gilt für rund 28.000 Wohnungen zwischen Kieler Straße und Hoheluft-Chaussee, daß jedwede Modernisierung nur noch mit amtlicher Genehmigung vorgenommen werden darf. Sinn der neuen Verordnung: Luxusausbau zwecks stattlicher Mieterhöhung oder profitträchtiger Immobilienschachereien soll verhindert werden. Um, so Mirow gestern, „die Bewohnerinnen und Bewohner vor Verdrängung zu schützen und die vorhandene soziale Struktur des Stadtteils zu bewahren.“

Zu diesem Zweck sollen sämtliche Modernisierungsmaßnahmen künftig daraufhin geprüft werden, ob die jeweiligen Wohnungen durch sie A) lediglich auf „normalen Standard (z.B. Isolierfenster oder Zentralheizung)“ gebracht oder B) „in Richtung Luxus oder Komfort (z.B. Fußbodenheizung, aufwendige Materialien, Fahrstuhleinbau)“ verändert werden sollen. A wird genehmigt, B nicht, vor allem dann nicht, wenn geplante „modernisierungsbedingte Mieterhöhungen“ mehr als zwei Mark pro Quadratmeter ausmachen.

Spekulations-Schutzfaktor zwei ist ein „Vorkaufsrecht der Stadt bei Grundstücksveräußerungen“. Danach hat das Bezirksamt künftig die Möglichkeit, privaten Immobilienschacher zu verhindern, „wenn Anhaltspunkte bestehen, daß durch den Verkauf die Zielsetzung der Erhaltensverordnung beeinträchtigt werden könnte“. Fünf Millionen Mark sind zunächst für den Ankauf entsprechender Häuser im Topf. Nachfolgende Verkaufserlöse sollen ebenfalls aufs Bezirkskonto fließen.

Im Ansatz höchst löblich, dieses Ansinnen, urteilt Jürgen Twisselmann vom Verein Mieter helfen Mietern. Und tröstet gleichzeitig, statusgemäß Friedrich Engels zitierend, seinen Rivalen vom Grundeigentümerverband: „The proof of the pudding is the eat“. Soll heißen: Es bleibt abzuwarten, ob der verordnete Mieterschutz in der Praxis auch Wirkung zeigt.

Eimsbüttels Bezirksamtsleiterin Ingrid Nümann-Seidewinkel jedenfalls warnt vor allzu großer Mieter-Euphorie. Auch mit Erhaltenssatzung könne Umwandlung und Verkauf von Wohnungen nicht verhindert werden.

Erste Erfahrungen im „völligen Neuland“ (Nümann-Seidewinkel) darf der Hamburger Senat im Sommer auswerten: Dann soll über die Ausdehnung der Erhaltensverordnung auf Hamm-Mitte, südliche Neustadt und Barmbek-Süd/Uhlenhorst entschieden werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen