Standbild: Psychothriller im Blechmantel
■ Drei Minuten: "Der 7. Sinn", Donnerstag, 21.00 Uhr, ARD
Ob Polizeirevier Deutschland (Tele5) oder Notruf (RTL- plus): Die nachgestellte, aber authentische Kleinkatastrophe mit Betroffenheitseinschlag hat Konjunktur. Vorläufer und quasi Maßstab dieser Gattung ist und bleibt Der 7. Sinn, seit prähistorischen Fernsehzeiten das „disaster movie“ en miniature schlechthin.
Nervenkitzel mit Anspruch steht auf dem Programm, wenn Egon Hoefgens sonores Timbre anhebt und, ohne lange um das heiße Blei herumzureden, mit dramatischem Vibrato von Fährnissen der nicht selten tödlichen Art kündet. Signifikat und Signifikant reichen einander brüderlich die Hände, selbst das Herz des Action-Fans schlägt höher, wenn waghalsige Stuntmen atemberaubende Fahrkunststücke ausführen und überzählige Personenkraftwagen gleich im Dutzend zu Schrott fahren, darin ganz der Tradition legendärer B-Picture-Regisseure wie Hal Needham und H.B. Halicki verpflichtet. Gerade letzterer, ein ehemaliger Autohändler, schuf mit unsterblichen Leinwandepen wie Die Blechpiraten, Firebird-Tornado oder Deadline Auto Theft die Grundlagen des Genres und schied konsequenterweise per Autounfall aus dem Leben. Diesem Mann, dem ein Menschenleben alles, ein Auto aber gar nichts galt, sind auch die Regisseure und Autoren von Der 7. Sinn verpflichtet, die trotz spektakulärer Tricksequenzen Gewalt nie selbstzweckhaft einsetzen, sondern als heilsamen Schock in den Dienst der Aufklärung stellen. Authentisch bis zur letzten Schraube, von beeindruckender Milieutreue und inszenatorischem Raffinement, brauchen sich diese „on location“ gefilmten dreiminütigen Psychothriller mit ihren professionell in Szene gesetzten Spezialeffekten hinter vergleichbarer Hollywood-Ware keineswegs zu verstecken. Furiose Schnittechnik, ein ausgeklügelter Handlungsaufbau und außergewöhnliches dramaturgisches Geschick machen aus diesem vorgeblichen Pausenfüller einen an den Nerven zerrenden Spannungsheuler, der in der hiesigen Kinolandschaft seinesgleichen sucht, aber nicht findet, da ja mittlerweile fast alle begabten deutschen Nachwuchsregisseure ihr Talent auf US-amerikanischen Highways vergeuden bzw. im kalifornischen Stau verrecken.
Gewiß ist ein apokalyptisches Szenario wie die Beschwörung vorzeitig verbrauchter Treibstoffvorräte bei gleichzeitiger Ermangelung eines Reservekanisters kein Stoff für zartbesaitete Gemüter. Doch auch wenn Moralisten und kirchliche Gruppen im Warndreieck springen — dieses brisante, unter die Blechhaut gehende Thema betrifft keineswegs nur Randstreifengruppen. Eben darum darf und muß es zu einer attraktiven Sendezeit, zu der allerdings Kinder unter zwölf Jahren bereits unter der Bettdecke schmökern sollten, angesprochen und im beschriebenen Stil durchaus drastisch visualisiert werden — uns allen zur steten Mahnung, niemals dem Leichtsinn das Steuer in die dürre Hand zu geben. Herr Dittmeyer
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