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Psychiatrie–Streit eskaliert

■ CDU–Politiker nennt renommierten baden–württembergischen Krankenhausleiter einen „Sonderling“ / Dieser prangerte die Lage psychisch Kranker öffentlich an

Stuttgart (ap) - Nur einen Tag nachdem der parlamentarische Untersuchungsausschuß „Situation der Psychiatrischen Landeskrankenhäuser“ seine Arbeit im Stuttgarter Landtag beendet hat, erreichte der Streit um die Lage der psychisch Kranken in Baden– Württemberg am Freitag einen neuen Höhepunkt. Der CDU–Abgeordnete und Sprecher seiner Fraktion im Ausschuß Roland Ströbele nannte den Leiter des Psychiatrischen Landeskrankenhauses Weißenau, Günter Hole, in einem Fernsehinterview einen „Sonderling“. Hole, der als internationale Kapazität gilt, war Auslöser der parlamentarischen Untersuchungen. Nach erfolglosen Vorstößen im baden–württembergischen Sozialministerium hatte er im vergangenen Winter die Mißstände in den Landeskrankenhäusern öffentlich angeprangert. Nach seinen Angaben, die auch Zeugen im Ausschuß bestätigten, waren Patienten wegen Personalmangels ans Bett gefesselt oder mit Psychopharmaka ruhiggestellt worden. „Wer nicht beeindruckt war von dem, was in dem Ausschuß zu hören war, der versteht überhaupt nicht, worum es hier geht“, sagte die SPD–Landtagsabgeordnete Helga Solinger zu der „ungeheuerlichen Äußerung“ Ströbeles. Hole solle jetzt auch noch persönlich abgewertet werden, um die Landesregierung aus der Verantwortung zu nehmen, sagte sie. Gerd Schwander von den Grünen, der selbst Arzt ist und wie Solinger im Ausschuß war, nannte es „unwürdig, einen Menschen wie Professor Hole, der sich große Verdienste um die Psychiatrie in Baden–Württemberg erworben hat, selbst als psychisch Kranken abzustempeln“.

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