: Psychedelische Puppen
■ Das holländische Triangel-Puppentheater erweckte Donnerstag im Packhaus-Theatrium Zweifel am Bremer Bier
Atemlose Stille im gutbesuchten Theatersaal. Zappenduster ist es. Der Gaukler tritt vor und setzt sich die Maske auf. Das Spiel kann beginnen.
Marionetten, Masken, Stock-und Handpuppen verwandeln diesen Ort zu einer Bühne auf der grausame Alpträume war zu werden scheinen. Mumien, Monstren, Mutationen. Hier kommen noch die Metamorphosen dazu. Das Spiel der Puppen hat die Außenwelt völlig abgelöst, es schlägt die Anwesenden in seinen Bann, keine Sprache, nur wirkungsvolle Geräusche untermalen das Geschehen. Selbst zu klatschen traut sich da niemand so recht.
Was geschieht? Es geschehen Dinge, die jeder Beschreibung spotten, unbeschreibliche Dinge. Surrealistische Szenen voll Symbolik und Witz, abgelöst von makabren Begegnungen. Ein lebendiges Frauenbildnis wird heimgesucht von Schnecken und Mäusen, denen die Unbewegliche hilflos ausgeliefert ist. Als sie schließlich ihren Haarzopf herabläßt, holt sie sich nur noch viel größeres Grauen in Form eines furchteinflößenden Männerbesuchs ins Haus. Graaaauenhaft!
Harmlos anmutende Dinge verwandeln sich unversehens in
Monsterköpfe, auf denen wunderliche Pilzmenschen ihres weiteren Schicksales harren müssen.
Das war schon mehr als genug für schwachen Nerven, doch nach der Pause sollte es noch phantastischer werden. „Der Lebensbaum“, das Leben in und aus der Schachtel, unter dem Auge des Riesen. Ein Alptraum. Und wenn ich es nicht gesehen hätte, dann würde ich es nicht glauben.
Das Puppentheater Triangel aus Meppel/ Niederlande, das sind Herk Boerwinkel und Charlotte Puyk-Joolen, ziehen mit ihren Puppen um die ganze Welt und sind an Perfektion wohl kaum noch zu übertreffen. Lautlos und mit gespenstischen Bewegungen spielen die Puppen ihr mystisches Spiel, daß mir gänzlich ironische Distanz zu dieser Art von Theater geraubt hat. Ein wahrhaft psychedelischer Abend.
Beim Verlassen des Packhaus-Theaters glaube ich in den nächtlichen Gassen des Schnoors, in ein neues Spiel eingetreten zu sein. Daß mein Auto noch nicht abgeschleppt ist, dünkt mich ein Wunder, und der Jüngling, den ich beim Trampen mitnehme, scheint mir auch nicht ganz echt.
Ob etwas mit meinem Bier nicht in Ordnung gewesen war?
Kerstin Dreyer
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