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Archiv-Artikel

Prügelstrafe in „Südwest“

betr.: „Eine frage der politischen ethik“, taz vom 12. 8. 04

Die Nachfahren der deutschen Konquistadoren, die in Namibia nicht nur den Völkermord an Herero betrieben haben, sind bis heute Großgrundbesitzer. Ihren Farmarbeitern verwehren sie größtenteils nicht nur eine gerechte Entlohnung, oft werden Rassismus und Prügelstrafe bis heute praktiziert. Kontakt zwischen Touristen aus „Übersee“ und „den Schwarzen“ wird auf „deutschen Gästefarmen“ peinlich vermieden, die erbärmlichen Baracken, in denen die Lohnsklaven der Farmer hausen müssen, werden versteckt. Der noch amtierende Präsident Sam Nujoma wird auch vor europäischen Touristen unverhohlen als „Terrorist“ bezeichnet, in der Regierung des Landes seien „zweibeinige Affen“ zugange, erklärte ein deutschstämmiger Autovermieter schon beim Abholen am Flughafen.

Der Kolonialtourismus in „Südwest“ treibt munter seine Blüten, die „Göbbels-Straße“ ist gerade erst unter Protest deutscher Verfechter umbenannt worden, Hitlers Geburtstag wird in Swakopmund immer noch gefeiert, in Lüderitz trifft sich im „Männerturnverein“ eine Nazigruppe.

Entschuldigung und Wiedergutmachung für Völkermord ist eine Frage. Die vielen anderen sind noch wichtiger. Warum gibt es so wenige junge Studenten aus Namibia an deutschen Universitäten? Warum bekommen junge Namibier keine Stipendien? Warum werden die Schulabschlüsse aus Namibia in Deutschland nicht anerkannt? Warum ist es in Deutschland immer noch üblich, dieses herrliche, friedliche und demokratische unabhängige Land als „Südwest“ zu bezeichnen?

Das Bild des Staates wird geprägt von der Meinung der Vertreter der kleinsten radikalen Minderheit Namibias, den Nachfahren der deutschstämmigen Eindringlinge und ihrer Tagesgazette Allgemeine Zeitung. Ich war fünf Jahre ein „weißer Farmer in Namibia“, mir klingen die Drohungen meiner Blutskollegen noch in den Ohren, als ich versuchte, meinen Angestellten ordentliche Steinhäuser mit fließendem Wasser zu bauen und ihnen zu erlauben, einen kleinen Garten zur Selbstversorgung anzulegen. Da ich das Land nur gepachtet hatte, konnte ich mich nicht durchsetzen. Die alte deutsche Kolonialfamilie meinte, der Platz für die Angestelltenhäuser sei von mir falsch gewählt. Sie müssten weiter weg von meinem Wohnhaus stehen, direkt am winters sehr kalten Trockenfluss, dort wo die Paviane in den Bäumen wohnen. Ich habe mich nicht gebeugt. Die Folge war, dass auch mein Wohnhaus bald kein genießbares Trinkwasser mehr hatte. ULF G. STUBERGER, Marxzell

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