Prêt-à-porter: Dieser gewisse Mantel
■ Einfache Idee, große Robe: Sieh da, ein Punk!
Wirtschaftliche Krise? Französische Designer auf dem absteigenden Ast? I wo! Wer erzählt denn so was? Journalisten und Einkäufer schlagen sich geradezu um Eintrittskarten! Gaultiers Pressestab ist schon so heiser, daß er bei Anfragen nach Einladungen nur noch müde abwinkt. In Paris sind über 2.000 Journalisten akkreditiert. Trotzdem läßt sich nicht leugnen, daß die großen Säle zwar gut besucht sind, sich aber dieses gewisse medienwirksame Gedrängel einfach nicht mehr einstellen will.
Die französischen Designer haben daher die Parole ausgegeben: Groß ist vulgär. Gaultier hat diesmal einen Saal mit 300 Plätzen gebucht. (Große Säle sind eben mehr was für Emporkömmlinge wie Prada.)
Gianfranco Ferré zog Dior einigermaßen elegant aus der Affäre. Zwar zeigte auch er etliche gerade Kinderkleider, aber dazwischen schmuggelte er klammheimlich etwas Glamour. Es gibt da einen bestimmten Dior-Mantel, der auch als Kleid durchgeht und für sich allein schon jede Schau retten würde. Dieser Mantel liegt bis zur Taille eng an und springt dann in Falten weit auf. Egal aus welchem Material er ist: Man hat immer einen Hollywoodfilmstar vor sich, so zerbrechlich wirkt die Taille und so glamourös ist dieses plötzliche Aufspringen – wie eine große Geste.
Als Tagesmantel präsentierte Ferré ihn in Leder und mit gemäßigt glockiger Weite. Bei den Abendkleidern aus changierender Seide war der angesetzte Rock in üppige Godetfalten gelegt, so daß er beim Gehen schön hin und her schwingen konnte. Manchmal waren zwei kleine Bänder an der Seite befestigt, mit denen die Falten hinten zusammengerafft wurden, so daß sich ein Bausch bildete, der ganz ohne Einlage den Effekt einer Tournüre erreichte. Eine einfache Idee und doch – eine große Robe.
Angleichung ans Tier: Pudel- Kostümierung von Junko Shimada & Richard Voinet
Fotos: AP
Lacroix griff tief in die 70er-Jahre-Musterkiste und zeigte kurze durchgeknöpfte Kleider mit diesen Tapetenmustern, die jetzt so beliebt sind. Bei den Abendkleidern war er dann wieder ganz der alte: Korsagen, wie Mieder gearbeitete Spitzenkleider, glitzernde Knöpfe und funkelnde Pailletten. Nur ein Abendkleid erinnerte wie ein Augenzwinkern an vergangene Zeiten: Ein pinkfarbenes Häkelkleid, mit Lurexfäden durchzogen und überladen mit kleinen Troddeln und gehäkelten Bordüren und winzigen Rüschen in türkis, gelb, rot und blau: scheußliche Siebziger.
Arakawa, ein junger japanischer Designer, bat zu seiner ersten Schau in eine Tiefgarage. Hardcore-Musik, ein schauerlicher Kriegsschrei und das erste Model stürzte hervor, eine Japanerin mit struppigen kurzen Haaren und tätowiertem Gesicht. Sie rannte fast durch den Gang und stoppte abrupt einen Zentimeter vor den Fotografen, die entsetzt zurückprallten. Sieh da: ein Punk! Aber Arakawa zeigte kein Revival, von einigen Hemdmustern mal abgesehen. Statt dessen peinlich genau gearbeitete Hosen und Kleider, die trotzdem ganz unangestrengt wirkten. Kleingemusterte Wollkleider hatten zwar eine simple Trapezsilhouette, aber sie waren virtuos zusammengesetzt, so daß der Stoff praktisch ein Muster auf dem Muster bildete: kleine Stoffstücke waren so zusammengenäht, daß sie auf der Brust einen Stern formten oder wie ein großes S über das Kleid liefen. Die Hosen waren gerade und schmal, und nur bei genauem Hinsehen konnte man erkennen, daß Nähte an Stellen waren, wo sie eigentlich nicht hingehören: Auf Kniehöhe oder quer über dem Oberschenkel verlaufend, wo sie in kleine Taschen mündeten. Unendlich viel Arbeit, um eine einfache Sache herzustellen: Das erinnerte an den Dior-Mantel. Anja Seeliger
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