Prozess zu Verbrechen in Syrien: Beihilfe zur Staatsfolter
Ein Mitarbeiter des Assad-Regimes wird wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt: Eyad A. muss für Jahre in Haft. Das gab es so noch nie.
Es geht um Eyad A., 44, einen ehemaligen Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes. Das Gericht verurteilt ihn wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu vier Jahren und sechs Monaten Haft. Konkret wird A. der Beihilfe zu Folter und schwerwiegender Freiheitsberaubung in 30 Fällen schuldig gesprochen.
In der Urteilsbegründung, die über Lautsprecher im vollbesetzten Zuschauerraum auf Arabisch übersetzt wird, geht es aber zunächst gar nicht um den Angeklagten. Gut eine Stunde lang spricht Anne Kerber, die Vorsitzende Richterin, über das syrische Regime, das mit Hilfe von Geheimdiensten und Militär seine Macht sichert – und über die Demonstrationen dagegen, die brutal niedergeschlagen werden.
Sie spricht über zu volle Gefängnisse und grausame Folter. Über Massengräber, in denen die Opfer verscharrt werden. Und über die „Caesar“-Dateien, die ein ehemaliger syrischer Militärfotograf von getöteten Gefangenen gemacht und aus dem Land geschleust hat.„Erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung“, sagt Kerber da. „Diese Bilder werde ich nicht vergessen.“
Jagd auf fliehende DemonstrantInnen
Die Richterin spricht von einem „systematischen Angriff auf die Bevölkerung“ und macht damit klar: Die Gräueltaten des Assad-Regimes sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es ist das, was diesen Prozess international bedeutsam macht: Das Oberlandesgericht Koblenz ist das erste Gericht weltweit, das dies bestätigt.
Eyad A. trat mit 20 dem syrischen Geheimdienst bei und arbeitete dort gut 15 Jahre, zuletzt in der Unterabteilung 40, so trägt Kerber aus dem Urteil vor. Leiter der Abteilung ist Hafez Makhlouf, ein Cousin Assads. An einem Freitag im September oder Oktober 2011 sollten etwa tausend Sicherheitskräfte, darunter der Angeklagte, eine Demonstration in Duma unterbinden.
„Zwischen 3.000 und 6.000 Menschen demonstrierten friedlich, saßen auf der Straße oder tanzten“, sagt Kerber. Die Angehörigen der Abteilung 40 „hatten Befehl, auf Demonstranten zu schießen“.
Makhlouf selbst tat dies und einige Mitarbeiter, der Angeklagte nicht. „Er zog sich zurück, damit es nicht auffiel“, so die Richterin. Wohl aber machte Eyad A. Jagd auf fliehende DemonstrantInnen, nahm 30 von ihnen fest und brachte sie in die Al-Khatib-Abteilung, wo sie brutal gefoltert wurden.
Schreie, die bis in die Cafeteria zu hören waren
Der Angeklagte habe von dem systematischen Angriff des Regimes auf die Bevölkerung gewusst, sagt Kerber. Auch die Grausamkeiten, denen die Gefangenen in der Abteilung unterzogen wurden, seien ihm bekannt gewesen. Er selbst habe ausgesagt, man habe die Schreie der Gefolterten bis in die Cafeteria gehört. Deshalb wird er wegen Beihilfe verurteilt.
Dass Eyad A. „relativ früh“ desertiert sei und später, als Flüchtling in Deutschland, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dann bei der Polizei weitreichende Angaben machte, auf die die Anklage im Wesentlichen beruht, wertet das Gericht zu seinen Gunsten. Auch habe er durch die Befehlsstruktur unter Handlungsdruck gestanden.
Hinzu kommt: Weil die Polizei A. nicht klarmachte, dass er nicht nur als Zeuge galt, konnte seine Aussage lediglich zum Teil verwendet werden und die Anklage reduzierte sich.
Die Bundesanwaltschaft hatte für A. fünfeinhalb Jahre Haft gefordert, sein Verteidiger auf Freispruch plädiert. Das Gericht hatte zuvor den Prozess gegen Eyad A. vom Hauptverfahren abgetrennt. Gegen den Hauptangeklagten Anwar R. wird weiter verhandelt. Oberstaatsanwalt Jasper Klinge betonte nach der Verkündung die große Bedeutung des Urteils gegen Eyad A. Dies, so Klinge, sei auch ein Signal an die Täter.
„Das Urteil kann nur ein erster Schritt auf einem langen Weg zur Gerechtigkeit sein“, sagte Wassim Mukdad, syrischer Überlebender und Nebenkläger im Hauptverfahren. Patrick Kroker, der Mukdad und andere Nebenkläger vertritt, betonte: „Die Relevanz der Beweise reicht weit über das Verfahren in Koblenz hinaus.“ Eyad A.s Verteidiger kündigte an, in Revision zu gehen.
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